You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
war unglaublich, diese Erfahrung mit den Brüdern teilen zu können, sich auf Motowns Kosten einen Stempel nach dem anderen in den Reisepass drücken zu lassen und zwischen Amerika, Europa, Australien, Neuseeland und Japan hin und her zu pendeln. Die verrückteste Geschichte auf all unseren Reisen ereignete sich in São Paulo. Wir hatten zwar gedacht, in puncto Jacksonmania schon alles erlebt zu haben, aber unsere Südamerika-Tournee wartete mit einer ganz neuen Dimension auf.
Wir flogen nach São Paulo. Unsere Instrumente und unsere Bühnenkleidung sollten mit dem nächsten Flieger nachkommen. Am Abend des Konzerts stellten wir fest, dass das nicht die allerbeste Idee gewesen war. Der zweite Flug war verspätet oder wurde gestrichen, und niemand wusste genau zu sagen, ob die Sachen rechtzeitig eintreffen würden. Die Optimisten in unserem Lager sagten immer wieder: „Vielleicht kommt alles noch an – es ist ja noch jede Menge Zeit.“ Aber gleichzeitig hörten wir schon, dass sich die Konzerthalle allmählich füllte. Eine Stunde später war jeder Platz besetzt, und wir hatten nichts in der Hand und nichts anzuziehen.
Nun kam jemand auf den Gedanken, wir sollten rausgehen, mit den Fans reden und die Situation erklären. Ohne große Fanfare und bei angeschaltetem Saallicht traten wir Brüder samt Promoter also auf die Bühne, noch immer in den T-Shirts und Jeans, die wir während unseres Fluges getragen hatten. Die Menge rastete aus. Jackie hob die Hände und bat um Ruhe, dann versuchte er, den Zuschauern das Problem zu erläutern. Ich weiß nicht, wie viel Englisch die brasilianischen Fans verstanden, aber offenbar bekamen sie das Wichtigste mit – keine Bühnenkleidung, keine Instrumente, kein Konzert –, denn nun hoben die Buhrufe und Pfiffe an. Jemand drückte mir das Mikrofon in die Hand. Vielleicht konnte der „Herzensbrecher“ die Lage beruhigen. Aber die Buhrufe wurden nur noch lauter. Also reichten wir Michael das Mikrofon, in der Hoffnung, dass unser niedlicher Frontmann etwas ausrichten konnte. Aber auch daraus wurde nichts. Aus dem immer lauter werdenden Gebrüll bildete sich allmählich ein Sprechchor auf Portugiesisch heraus, der, wie man uns später sagte, so etwas wie „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“ bedeutete.
Wir waren völlig durcheinander, sahen einander an und fragten uns, was nun zu tun war. Eine Flasche flog auf die Bühne. Dann hagelte es Dosen und Münzen. Und wir standen die ganze Zeit da, hielten die Arme schützend erhoben, duckten uns, wichen den Wurfgeschossen aus und versuchten, den Leuten begreiflich zu machen, dass wir nichts dafür konnten. Aber das war vergebliche Liebesmühe, und die Stimmung wurde zusehends feindselig. Auf Jackies Aufforderung hin verließen wir die Bühne. Hinter uns klang es, als ob uns ganz Brasilien mit viel Gebrüll wieder nach Amerika zurückjagen wollte.
„Wir müssen hier raus“, zischte Bill Bray uns hinter den Kulissen zu.
Während die ersten zornigen Fans die Bühne stürmten, rannten wir nach draußen zum Bus. Allerdings hatten viele Zuschauer das vorhergesehen; immer mehr Leute drängten aus den Eingängen und kamen auf uns zu. Wir schafften es gerade noch in unser Fluchtfahrzeug und schlossen hastig die Türen. „Nichts wie weg“, riefen wir dem Fahrer zu, „fahren Sie los!“
Als der Bus sich in Bewegung setzte, hämmerten die Fans gegen die Seiten und ließen ihrem Ärger freien Lauf. Die Situation war fürchterlich eskaliert, und wir konnten uns glücklich schätzen, der Gefahr noch einmal zu entkommen. Michael hatte sich zwei Reihen hinter mir, weiß wie eine Wand, auf einem Sitz zusammengerollt.
„Halt!“, schrie Marlon plötzlich. „Da ist Rose!“
Wir sahen aus dem Fenster, und tatsächlich, unsere Lehrerin kämpfte sich durch die Menge, die Handtasche mit beiden Händen fest umklammert. In unserer Eile, aus der Halle herauszukommen, hatten wir ganz vergessen, dass sie in der Garderobe saß und eine Zeitschrift las. Rose hatte normalerweise eine typische Siebzigerjahre-Frisur mit locker fallendem Pony und glattem Haar, aber jetzt sah sie aus, als hätte man sie rückwärts durch ein Gebüsch geschleift. Sie trommelte gegen die Tür, unser Fahrer ließ sie herein und klappte die Luke hastig hinter ihr wieder zu. Nun baute sich unsere zerzauste Lehrerin atemlos und mit rot angelaufenem Gesicht vorn am Gang vor uns auf.
„Also! Ich kann einfach nicht glauben, dass unter euch allen kein einziger Gentleman ist!“, stieß
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