You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Michael bald feststellte, dass bei Schwarzen vom Ausquetschen und Aufkratzen Stellen zurückbleiben, die dunkler waren als die natürliche Hautfarbe. Für uns war Nadinola eine Zaubersalbe: Ein kleiner Tupfer ließ die nachgedunkelten Bereiche sofort heller werden und hässliche Flecken verschwinden.
Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich mir völlig bewusst, dass sie, wenn man sie aus dem Kontext löst, das Gerücht weiter anfachen könnten, dass Michael sich die Haut bleichte, um für das weiße Publikum attraktiver zu sein – was kompletter Blödsinn ist, wenn man sich vor Augen hält, wie groß die Fangemeinde der Jackson 5 bereits war. Und davon abgesehen wird Nadinola, das im Übrigen in den USA rezeptfrei zu haben ist, weit verbreitet gegen Akne und Hautverfärbungen eingesetzt. Die drei Prozent Hydroquinon, die es enthält, sind nicht annähernd stark genug, um die Pigmentierung eines Menschen wirklich zu verändern. Aber ich will es auch noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Michael hat sich nie das Gesicht oder einen anderen Teil seines Körpers gebleicht, abgesehen von den dunklen Flecken, die sich durch Hautunreinheiten ergaben. Später musste er wegen ernsterer Hautprobleme zu anderen Mitteln greifen. Aber diese Gerüchte, dass er kein Schwarzer sein wollte, verletzten ihn sehr, zumal seine Hautfarbe ohnehin eher wie die von La Toya war, immer einen Tick heller. Michael war stolz auf seine schwarzen Wurzeln und stolz darauf, als schwarzer Künstler Rekorde zu brechen – aber je älter wir wurden, desto mehr lernten wir zu begreifen, wie solche Schlagzeilen entstanden.
Wahrscheinlich rechnete keiner von uns damit, dass es uns als Gruppe Probleme bereiten würde, dass wir allmählich erwachsen wurden. Der stabile Erfolg unserer Platten, die dazugehörigen Synergieeffekte und die starke Nachfrage des Publikums machten eine Trennung zumindest auf dem Papier höchst unwahrscheinlich. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, welchen Einfluss es auf die Jackson 5 haben würde, dass wir uns zu jungen Männern entwickelten, die zu Hause ausziehen, heiraten und Kinder haben wollten. Vor allem Michael ahnte nicht, was Erwachsenwerden in der Realität bedeutete.
Eines Tages eröffnete uns Mr. Gordy, dass Soloprojekte für Michael und mich geplant waren, um unsere Unterschiedlichkeit innerhalb des Jackson-5-Konzepts stärker herauszuarbeiten; Motown wollte aus unseren unterschiedlichen Fangruppierungen stärker Kapital schlagen. Dabei stand die Gruppe jedoch weiterhin an erster Stelle – die Jackson 5 waren unsere sichere Bank, die Soloprojekte nur Experimente, Abenteuer, und wir sahen es so, dass wir mit einem möglichen Soloerfolg lediglich unsere gemeinsame Marke stärkten. Michael machte den ersten Schritt, sein „Got To Be There“ kam bis auf Platz 4 der amerikanischen Billboard Hot 100; dann folgte „Rockin’ Robin“, das Platz 2 erreichte, und schließlich „Ben“, sein erster Nummer-1-Hit als Solokünstler, der sich 1,5 Millionen Mal verkaufte. Auf meiner LP Jermaine war auch die Single „Daddy’s Home“ – ein Cover des alten Hits von Shep & The Limelites –, die Platz 3 der Hitparade erreichte und von der eine Million Exemplare verkauft wurden. Bis 1975 brachten wir beide noch eine Reihe weiterer Solosingles heraus, von denen allerdings keine in die Top 10 vordringen konnte.
Aber ein seltsames Phänomen stellte sich mit unseren Charterfolgen ein. Plötzlich war die Presse ganz scharf darauf, etwas über Rivalitäten zwischen uns zu schreiben. „Wie ist es, gegen den eigenen Bruder anzutreten?“ – „Jermaine, Michael ist auf Platz 1 gekommen, wünschst du dir, dass du das auch geschafft hättest?“ Es waren Fragen aus einem uralten Drehbuch, mindestens so vergilbt wie eine Zeitung, die zu lange auf dem Fensterbrett gelegen hat. Die Journalisten vergaßen, dass wir in erster Linie Brüder und dann erst Künstler waren. Michael feuerte mich als Sänger ebenso an wie früher auf dem Baseballfeld. Er unterstützte mich so, wie er es in unserer Kindheit in Gary, in der Schule oder auf der Bühne getan hatte. Wir waren so erzogen worden, dass wir uns gegenseitig dazu antrieben, die Messlatte immer höher zu legen. Es war eine gesunde Konkurrenz, und das sahen wir alle genauso. Die Musik änderte nichts daran, und sie machte uns auch nicht zu Rivalen, aber wir merkten, wie verzerrt sich das Verhältnis von uns Brüdern für Außenstehende darstellte. Wenn man in ein Goldfischglas
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