Young Sherlock Holmes 1
Interessantes zu entdecken«, erklärte er entschieden. »Und nachts würdest du nicht dort sein wollen, glaub mir.«
»Ich dachte, wir könnten uns Fahrräder besorgen.« Sherlock ließ nicht locker. »Mal rauskommen und ein bisschen durch die Gegend fahren. Ein paar Dörfer und Städte angucken.«
Matty blickte ihn stirnrunzelnd an. »Warum sollten wir so was tun wollen?«
»Aus Neugierde?«, schlug Sherlock vor. »Fragst du dich nie, wie die Dinge wohl sind, bevor du sie zu Gesicht bekommst?«
»Städte sehen wie Städte und Dörfer wie Dörfer aus«, behauptete Matty. »Und die Leute sehen überall gleich aus. So ist das Leben nun mal. Komm, lass uns gehen.«
Er führte Sherlock die gusseisernen Stufen zum Bahnsteig hinunter, auf dem die Fahrgäste ausgestiegen waren. Von dort gingen sie auf die Straße hinaus.
Am Straßenrand hatte ein Pferdekarren haltgemacht. Drei Männer luden mit Stroh isolierte Eiskisten auf, die mit dem Zug gekommen waren.
Einer der Männer, ein wieselgesichtiger Kerl mit gelben Zähnen, starrte die Jungen an, als sie an ihnen vorbeigingen.
»Junger Master Sherlock«, hörten sie eine schneidende Stimme hinter sich. »Ich bin enttäuscht, Sie mit dreckigen Gassenjungen verkehren zu sehen. Ihr Bruder wäre zutiefst beschämt.«
Obwohl er nicht wusste, wer ihn da ansprach, errötete Sherlock sogleich und drehte sich um. Nur wenige Meter vor sich sah er die Haushälterin MrsEglantine stehen. Zwei Männer, die Sherlock von Holmes Manor her wiedererkannte, luden gerade eine Reihe von Lebensmittelkisten auf den Karren, der von einem großen und offensichtlich gutmütigen Pferd gezogen wurde. Die Kisten waren höchstwahrscheinlich mit dem Zug gebracht worden.
»Gassenjunge?« Sherlock sah sich um. Die einzige andere Person, die anwesend war, war Matty. Mit wachsamem Blick beobachtete er MrsEglantine, offensichtlich bereit, sofort loszurennen, sobald die Dinge schief liefen. »Wenn Sie ihn für einen Gassenjungen halten, sollten Sie häufiger mal aus dem Haus gehen, MrsEglantine«, sagte Sherlock kühn und ärgerte sich über ihre Einstellung.
Die Haushälterin presste die Lippen zusammen. »Der Herr wünscht Sie zu sprechen, wenn Sie zurück sind«, sagte sie, als die beiden Männer hinter ihr die letzte Kiste auf den Karren hievten. »Bitte lassen Sie ihn nicht warten.« Sie wandte sich ab und kletterte nach vorn auf den Kutschbock. »Das Mittagessen wird serviert, ob Sie nun anwesend sind oder nicht«, fügte sie hinzu, während sich einer der Männer neben sie setzte und der andere auf die Rückseite kletterte.
»Und Ihr Freund da ist
nicht
eingeladen.«
Die Pferde trotteten los und zogen den Karren hinter sich her. MrsEglantine wandte sich nicht mehr nach Sherlock um, sondern blickte starr geradeaus. Der Mann, der hinten auf dem Karren Platz genommen hatte, sah Sherlock an, nickte gefällig und führte grüßend eine Hand zur Kappe. Ihm fehlten einige Zähne, und sein Ohr zierte eine Kerbe, die aussah, als hätte er sie sich mit einem Messer, einer Axt oder Ähnlichem beigebracht.
»Wer war das?«, fragte Matty und stellte sich neben Sherlock.
»Das war MrsEglantine. Sie ist Wirtschafterin in dem Haus, in dem ich wohne.« Er machte eine Pause. »Sie mag mich nicht.«
»Schätze mal, sie mag niemanden«, stellte Matty fest.
»Ich gehe besser«, sagte Sherlock. »Wenn ich schnell bin, brauche ich eine halbe Stunde zurück, und sie hat es ernst gemeint mit dem Essen. Wenn ich es verpasse, laufe ich bis zum Abendessen hungrig herum.« Er drehte sich um und blickte Matty an. »Sehen wir uns morgen?«
Matty nickte. »Wieder hier? Gegen zehn?«
Sherlock brauchte fast eine Dreiviertelstunde, um zurück nach Holmes Manor zu gehen, und er kam gerade an, als der Gong zum Essen ertönte. Er bürstete den gröbsten Staub aus der Kleidung und betrat das Esszimmer. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten hatte Sherrinford Holmes, der gerade in einer Broschüre las, am Kopfende des Tisches Platz genommen. Seine Frau Anna wuselte umher, kontrollierte das Besteck und redete mit sich selbst. MrsEglantine stand hinter Onkel Sherrinford und reagierte nicht, als Sherlock eintrat. Aber die Art, wie sie es betont vermied, ihn anzusehen, zeigte ihm, dass sie von seiner Ankunft Notiz genommen hatte.
»Guten Tag, Onkel Sherrinford, Tante Anna«, sagte Sherlock höflich, als er sich setzte.
Sherrinford nickte in Sherlocks Richtung, ohne von seiner Broschüre aufzusehen. Anna schaffte es, so
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