Young Sherlock Holmes 1
etwas wie einen Gruß in ihren fortwährenden Monolog einzubauen.
Eine Magd kam mit einer Suppenterrine herein. Unter der Aufsicht von MrsEglantine füllte sie die Suppe in Schüsseln. Sherlock beobachtete alles ohne großes Interesse, bis Sherrinford seine Broschüre niederlegte, sich vorbeugte und ihn ansprach. »Junger Mann, ich bekomme nach dem Mittagessen Besuch, und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du anwesend wärst. Dein Bruder hat mich dazu angehalten, sicherzustellen, dass du weiter an deiner Bildung arbeitest, während du nicht in der Schule weilst. Außerdem deutete er an, dass er wünscht, du mögest dich von Schwierigkeiten fernhalten. Aus diesem Grund habe ich einen Lehrer angestellt. Er wird sich deiner für drei Stunden am Tag annehmen. Außer an Sonntagen, wo ich von dir erwarte, mit dem Rest der Familie zur Kirche zu gehen. Sein Name lautet Amyus Crowe.« Er schniefte. »MrCrowe ist zu Besuch in unserem Land und kommt aus den Kolonien, glaube ich. Aber nichtsdestotrotz hat er sich als gelehrter und urteilsfähiger Mann erwiesen. Sein Latein und Griechisch sind ausgezeichnet. Ich erwarte von dir, dass du seinen Anweisungen Folge leistest.«
Sherlock spürte, wie sein Gesicht plötzlich vor Zorn brannte. Als er auf Holmes Manor angekommen war, hatte er zunächst nur sich endlos hinziehende Tage vor sich liegen sehen. Leere und öde Tage. Und verzweifelt hatte er sich gefragt, was er mit seiner Zeit anfangen sollte. Aber dann hatte ihm die Begegnung mit Matty Arnatt eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten eröffnet.
Doch jetzt sah es so aus, als würde sich das alles wieder in Luft auflösen.
»Danke, Onkel Sherrinford«, murmelte er und versuchte, dankbar auszusehen. Aber sein Gesicht wollte einfach nicht seinen Befehlen gehorchen. MrsEglantine legte ein dezentes Lächeln an den Tag, ohne Sherlocks Blick zu begegnen.
Der Suppe folgte eine Fleischpastete mit dickem Teigmantel und Soße, woran sich wiederum ein »Summer-Pudding« anschloss. Sherlock aß, aber er schmeckte das Essen kaum. Seine Gedanken kreisten beständig um die Tatsache, dass sich seine Ferien gerade in eine persönliche Hölle verwandelten. Und er konnte es kaum erwarten, endlich wieder in die vorhersehbare Stabilität der Schule zurückzukehren.
Nach dem Mittagessen bat Sherlock, dass man ihn entschuldigte.
»Geh nicht zu weit fort«, ermahnte ihn Sherrinford. »Denk an meinen Besucher.«
Sherlock lungerte in der Eingangshalle herum, während die Familie getrennte Wege ging. Sherrinford begab sich in die Bibliothek und Tante Anna ins Gewächshaus. Sherlock vertrieb sich die Zeit damit, sich die Gemälde anzusehen, und versuchte zu entscheiden, welches am amateurhaftesten ausgeführt worden war. Nach einer Weile trat ein Dienstmädchen mit einem Silbertablett zu ihm, auf dem ein Briefumschlag lag.
»Master Holmes«, sagte sie leise. »Dieser Brief kam heute Morgen für Sie an.«
Sherlock schnappte sich den Umschlag vom Tablett. »Für mich? Danke!«
Sie lächelte und verschwand. Sherlock blickte sich um – halb in der Erwartung, MrsEglantine würde gleich auftauchen, um ihm den Brief aus der Hand zu reißen. Aber er war allein in der Halle. Der Umschlag war tatsächlich an »Master Sherlock Holmes, Holmes Manor, Farnham« adressiert. Und abgestempelt worden war er in
Whitehall
. Mycroft! Er war von Mycroft! Ungeduldig fuhr er mit dem Fingernagel unter die Wachsversiegelung und zog die Umschlagklappe nach oben.
Im Umschlag steckte ein einzelner Briefbogen. Oben war Mycrofts Londoner Adresse aufgedruckt und darunter hatte sein Bruder in seiner ganz eigenen eleganten Schrift folgende Zeilen geschrieben:
Mein lieber Sherlock,
ich hoffe, dass, wenn Du diesen Brief in Händen hältst, es Dir gut geht. Zweifellos wirst Du Dich im Moment verlassen und alleine fühlen und deswegen verärgert sein. Bitte glaube mir, dass ich Deine Gefühle verstehen kann und sie respektiere. Ich wünschte nur, es gäbe etwas, womit ich Dir helfen könnte.
Es gibt etwas!, dachte Sherlock. Du könntest mich zu dir holen, damit ich die Ferien bei dir verbringen kann! Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, verwarf er ihn auch schon wieder. Mycroft hatte seine eigenen Probleme. Er hatte eine Arbeit, die ihm viel abverlangte, und darüber hinaus fungierte er während der Abwesenheit ihres Vaters als De-Facto-Familienoberhaupt. In dieser Eigenschaft hatte er sich nicht nur um ihre Mutter zu kümmern, deren Gesundheit angeschlagen war, sondern
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