Young Sherlock Holmes 2
in ausreichendem Abstand gelagert worden. Jedenfalls weit genug, dass sie mit keinen brennenden Materialien in Berührung gekommen waren. Vermutlich könnte er sich durchaus wieder hinunterschleichen und etwas unternehmen. Wie zum Beispiel die Zünder herausziehen oder irgendetwas anderes. Aber wozu? Jetzt, da es keine Ballone mehr gab, um die Bomben abzuwerfen, waren sie nutzlos.
Ein Ruf drang von unten zu ihm herauf, und er blickte auf das Lager hinunter. Ein Mann wies mit dem Arm auf ihn. Das vom brennenden Wasserstoff erzeugte Licht musste Sherlock verraten haben. Noch mehr Leute sahen zu ihm empor. Einige begannen auf den Abhang zuzurennen, der zu seinem Versteck hinaufführte. Und die meisten von ihnen trugen Waffen.
Verflixt! Er hielt immer noch den Bogen in der Hand.
Höchste Zeit abzuhauen.
Er wandte sich um und rannte zu seinem Pferd. Es war scheu und wirkte nervös. Die Zügel, mit denen er es am Felsen festgemacht hatte, waren straff gespannt. Offenbar hatte es versucht, vor dem Feuerschein zurückzuweichen, aber es war noch nicht panisch. Hastig holte er die Zügel unter dem Felsen hervor und schwang sich in den Sattel.
Mit etwas Glück würde es ihm gelingen, unbemerkt in die Stadt zurückzukommen. Dann konnte er so tun, als ob er die ganze Zeit dort gewesen wäre. Schließlich brauchte niemand zu wissen, was er getan hatte.
Mit einem Ruck am Zügel riss er den Kopf seines Pferdes herum und machte sich davon.
Der Ritt von den Bergen herab war leichter als der Hinweg. Das Pferd schien nun trittsicherer geworden zu sein und war zudem sicher froh, dem Feuer und dem Rauch zu entkommen.
Jetzt da die Sonne untergegangen war, konnte es sich offensichtlich mit Hilfe des Mond- und Sternenlichts orientieren, und Sherlock überließ es einfach dem Tier, den richtigen Weg zurück nach unten zu finden. Sobald sie das flache Grasland erreicht hatten, würde er sich um den richtigen Weg zur Stadt Gedanken machen.
Während das Pferd sich seinen Weg durch die mit Felsbrocken übersäte Landschaft der Vorberge bahnte, spürte Sherlock plötzlich, wie ihn die sanft schaukelnde Bewegung langsam einlullte, so dass er hin und wieder einnickte.
Die Spannung fiel von ihm ab. Was blieb, war eine seltsame Leere und Melancholie. Dem langen Rückweg nach Perseverance blickte er nicht gerade freudig entgegen.
Zweifel stiegen in ihm auf, während er so dahinritt. Was war, wenn es der Unionsarmee nicht gelang, die konföderierten Soldaten aufzuhalten? Was, wenn die Invasion ihren Lauf nahm und er sie durch sein Tun begünstigt hatte?
Nein, Amyus Crowe hatte ihm erzählt, dass die Streitkräfte der Union bereits darauf vorbereitet gewesen waren, die Konföderierten aufzuhalten, sobald sie sich in Marsch setzten. Aber dann hatte Kriegsminister Stanton sich stattdessen persönlich dafür entschieden, die Konföderierten abzuschlachten. Solange nicht etwas furchtbar schieflief, hatte Sherlock mit seinem Vorgehen nur Leben gerettet. Es würde keinen diplomatischen Zwischenfall zur Folge haben.
Irgendwo in der Finsternis schrie plötzlich ein Tier. Der Laut ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Es hatte fast wie der Schrei eines Menschen geklungen. Definitiv nicht wie ein Kojote, sondern vielleicht eher wie eine Katze. Eine ziemlich große Katze.
Das Pferd trottete nun in einer Schlucht zwischen zwei steilen Abhängen dahin. Sherlocks Vermutung nach mussten sie den Fuß der Berg- und Hügellandschaft fast erreicht haben. Nicht mehr lange, und sie würden endlich ungehindert über das offene Grasland auf die Stadt zureiten können. Die beiden Seiten der Schlucht schienen aus nichts anderem als tiefschwarzen Schatten zu bestehen, und nur das leuchtende Firmament der Sterne ließ erkennen, wo die gezackten Ränder der Schlucht den Nachthimmel schnitten.
Dort bewegte sich etwas.
Sherlock fuhr zusammen und war endgültig hellwach. Dort über ihm, ganz oben, hatte sich plötzlich etwas am Rand der Schlucht bewegt, bevor es sich gleich darauf wieder hastig zurückgezogen hatte.
Da oben war etwas. Etwas, das ihm folgte.
Die Nerven zum Zerreißen gespannt, blickte Sherlock sich um. Nichts. Nur Finsternis, scharf umrissen und konturiert durch das von oben herabscheinende Sternenlicht.
Ein Kieselstein kullerte den steilen Hang hinab und prallte vom Boden der Schlucht ab.
Sherlocks Pferd wandte nervös witternd den Kopf hin und her. Es wusste, dass sich zusammen mit ihnen noch etwas anderes hier draußen befand. Alarmiert hatte es
Weitere Kostenlose Bücher