Young Sherlock Holmes 3
Doch die meines Erachtens wahrscheinlichste betrifft den Verkauf eines großen Territoriums an Ihr Land, Mr Crowe.«
Crowe hob eine Augenbraue. »Eine solche Meldung ist mir bei meiner Zeitungslektüre nicht untergekommen, Mr Holmes.«
»Das überrascht mich nicht: Das Ganze hat nicht viele Schlagzeilen gemacht. Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Irgendwann letztes Jahr wurde eine riesige Landfläche für die Summe von sieben Millionen und zweihunderttausend Dollar in Gold an die amerikanische Regierung verkauft. Das Gebiet ist so groß, dass – wie ich ausgerechnet habe – sich der Preis auf etwa zwei Cent pro Morgen beläuft, was ich doch mal als ein überragendes Geschäft bezeichnen möchte. Das betreffende Land liegt im Nordwesten des amerikanischen Kontinents. Es grenzt im Osten an Kanada, im Norden an den Arktischen Ozean und im Westen sowie Süden an den Pazifik.«
»Wem hat das Gebiet vorher gehört?«, fragte Sherlock.
»Eine sehr angemessene Frage. Der vorherige Besitzer war Russland. Das russische Reich beginnt gleich hinter der Beringstraße, wie dieser Teil des pazifischen Ozeans genannt wird. Allerdings ist dort auch eine ganze Anzahl von eingeborenen Stämmen beheimatet.«
»Wie heißt dieses Land?«
»Die Russen nennen es Alyeska«, erwiderte Mycroft. »Aber die amerikanische Regierung hat sich anscheinend für die Bezeichnung ›Department of Alaska‹ entschieden.«
»Wir haben also einen Landkauf«, sagte Crowe. »Das kommt in Amerika andauernd vor. Ich selbst besitze Land in Albuquerque, um das sich Bekannte während meiner Abwesenheit kümmern. Und das soll eine große Sache sein?«
Mycroft seufzte. »Die ›große Sache‹, wie Sie es nennen, besteht darin, dass der Verkauf eventuell nicht ganz rechtmäßig gewesen sein könnte.«
Einen Augenblick lang senkte sich Schweigen über den Tisch, als die anderen beiden die Bedeutung dessen in sich aufnahmen, was Mycroft eben gesagt hatte.
»Wie ist das möglich?«, fragte Sherlock schließlich. »Die russische und die amerikanische Regierung verfügen mit Sicherheit doch über Rechtsexperten, die die Vertragsdetails geprüft haben?«
»Es geht nicht so sehr um die Gültigkeit des Vertrages als vielmehr um die Tatsache, dass bisher keine Zahlung geleistet wurde, wodurch das Geschäft juristisch fragwürdig wird.«
»Die Frage wäre doch«, begann Crowe nachdenklich, »ob sich irgendjemand anderes für Alaska interessiert? Wenn nicht, wäre die Sache rein akademisch, und die Russen müssten nur energisch genug ihr Geld einfordern.«
Mycroft beförderte ein Stückchen Toastbrot mit Blutwurst in seinen Mund. Eine gute Minute lang aß er schweigend und selig lächelnd vor sich hin.
»Das ist genau der Punkt, an dem die Sache ziemlich heikel wird«, sagte er schließlich. »Und sehr persönlich. Eine Zeitlang hatte ich einen Mann, der zwischen den beiden Zentren Russlands pendelte: St. Petersburg und Moskau. Ich formuliere das bewusst so, da, auch wenn sein Lohn und seine Ausgaben vom Außenministerium beglichen werden, er direkt mir berichtet und niemandem sonst.«
»Ich vermute mal, Sie meinen, dass er dort vorgibt, das eine zu sein, während er in Wirklichkeit etwas anderes tut?«, hakte Crowe nach.
»Er ist als Journalist dort, und, nebenbei gesagt, ist er auch ein ziemlich guter. Aber darüber hinaus versorgt er mich mit Nachrichten darüber, was der Zar und sein Hof so im Sinn haben.« Seufzend schob Mycroft den Teller von sich. »Als ich heute Morgen meine letzten Berichte durchgegangen bin – diejenigen, die während meiner indisponierten Lage auf dem Polizeirevier in der Bow Street eintrafen –, stieß ich auf zwei Schreiben, die diesen Mann betrafen. Das erste stammte von ihm selbst. Darin berichtete er, er habe aus verlässlicher Quelle erfahren, dass der spanische Botschafter dem Hof von Zar Alexander II . ein Gegenangebot in Höhe von zehn Millionen Dollar gemacht hat, zahlbar in Gold sofort bei Vertragsunterzeichnung. Die zweite wurde vom britischen Diplomatenkorps verfasst. Darin wurde ich informiert, dass mein Mann, mein Agent, spurlos in Moskau verschwunden ist.«
Er hob die Teetasse an die Lippen, setzte sie dann jedoch wieder ab. »Neben den normalen Polizeikräften verfügt der Zar über eine Geheimpolizei. Sie ist unter dem Namen
Dritte Abteilung der Eigenen Kanzlei seiner Kaiserlichen Majestät
bekannt – kein sehr griffiger Titel im Vergleich zu anderen, aber eben sehr russisch. Ihr Leiter ist Graf Pjotr
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