Young Sherlock Holmes 3
Landschaft auf Jahrhunderte beeinflussen könnte.«
»All das«, erwiderte Crowe, »liegt sozusagen außerhalb meines Aufgabengebietes. Ich bin kein Politiker und habe auch nicht die Absicht, jemals einer zu werden.«
»Ist wohl auch besser«, murmelte Mycroft. »Schließlich habe ich Sie verhandeln sehen. Fäuste werden gemeinhin nicht als Waffen der Diplomatie betrachtet.«
»Oh, ich weiß nicht so recht«, sagte Crowe leise. »Hat Clausewitz nicht gesagt, Krieg sei eine bloße Fortsetzung von Politik, nur mit anderen Mitteln?«
»Ja«, antwortete Mycroft gereizt. »Aber der war ja auch Deutscher.«
»Was also bedeutet das dann alles für uns?«, fragte Crowe. »Denken Sie, dass es sich bei den Leuten, die Ihnen einen Mord unterschieben wollten, um spanische Agenten handelt?«
»Möglich, aber unwahrscheinlich.« Mycroft schüttelte den Kopf. »Warum sollte der spanische Hof die Tatsache verheimlichen wollen, dass er ein Gegenangebot gemacht hat? Es sei denn, die Verhandlungen befinden sich in einer besonders heiklen Phase. Vor diesem Hintergrund kann ich mir nicht vorstellen, dass sie bereit sind, einen Mord zu begehen. Was die Russen anbelangt, so könnten sie es gewesen sein – aber andererseits: Warum sollten sie die Tatsache verheimlichen, dass die Verhandlungen weitergehen?« Er versank in nachdenkliches Schweigen und rieb sich am Kinn. »Es sei denn«, fuhr er schließlich fort, »dass der Zar die amerikanische Regierung nicht wissen lassen wollte, dass er mit den Spaniern redet – aufgrund der Überlegung, dass das Repräsentantenhaus plötzlich die sieben Millionen Dollar in Gold bewilligen und so seine Pläne torpedieren könnte, von jemand anderem mehr Geld zu bekommen. Die ganze Sache hängt mit dem Umstand zusammen, dass das ursprüngliche Geschäft bestenfalls als zweifelhaft betrachtet werden kann, solange die Zahlung nicht wirklich erfolgt ist.«
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, knurrte Crowe.
»Ja«, stimmte Mycroft zu. »Gibt es. Einige Elemente in Ihrer Regierung könnten versuchen, jedes Wort über den womöglich zweifelhaften Status des Landkaufes zu vermeiden, bis das Geschäft tatsächlich zum Abschluss gebracht und das Gold an den Zaren transferiert ist.«
Crowe zuckte die Achseln. »Habe nicht vor, meine Regierung zu verteidigen. Schließlich haben sie im Laufe der Jahre so einige merkwürdige Entscheidungen getroffen.«
»Oder«, sagte Sherlock, der das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, »es gibt noch jemand anderen.«
»Eine dritte Partei?«, fragte Crowe.
»Eine vierte«, stellte Mycroft klar. »Nach den Russen, den Amerikanern und den Spaniern.«
»Eine
fünfte
«, hob Sherlock hervor. »Schließlich bist auch du involviert, was bedeutet, dass Großbritannien es ebenfalls ist.«
»Na, jetzt weiß ich, warum die Diplomatie so verzwickt ist«, sagte Crowe lächelnd. »Aber das alles spielt für uns doch bestimmt keine Rolle mehr, oder? Sie haben durchschaut, was da vor sich geht, und werden mit diplomatischen Mitteln etwas dagegen unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie, Sherlock oder auch ich noch einmal ins Visier geraten, ist äußerst gering. Wer immer auch versucht hat, Sie hereinzulegen, wird davon ausgehen müssen, dass Sie an Ihren Schreibtisch zurückgekehrt sind, die Berichte gelesen und die richtigen Schlüsse gezogen haben.«
Mycroft schüttelte langsam den Kopf. »So einfach ist es nicht. Erst einmal werden meine Vorgesetzten nicht geneigt sein, mir bei einer so großen Sache gleich zu glauben. Sie werden ihre eigenen Nachforschungen anstellen, was Monate oder Jahre dauern könnte. Und ich habe meine Hauptinformationsquelle in Russland verloren.« Sein Gesicht nahm einen grüblerischen Ausdruck an. »Ich muss herausfinden, was passiert ist. Das bin ich ihm schuldig. Wenn er in den Kerkern der Dritten Abteilung schmort, kann ich zumindest versuchen, ihn dort herauszubekommen. Und ist er tot, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um seinen Mörder der gerechten Strafe zuzuführen – oder was auch immer am Zarenhof darunter verstanden wird.«
»Sie haben doch sicher noch mehr Leute in Moskau, oder?«, fragte Crowe. »Sollen die sich eben darum kümmern.«
»Ich habe niemanden in Russland, dem ich vertraue. Und deswegen werde ich selbst gehen, sobald die Anklage gegen mich fallengelassen wurde.«
9
Ein schockiertes Schweigen senkte sich über den Tisch.
»Du fährst nach Moskau?«, fragt Sherlock schließlich verblüfft. »Nach
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