Young Sherlock Holmes 3

Andrejewitsch Schuwalow. Ich bin ihm vor ein paar Jahren einmal in Frankreich begegnet. Wir sind gut miteinander zurechtgekommen. Aber egal, die Unterabteilung Eins der Dritten Abteilung ist für politisch motivierte Straftaten zuständig, die Unterabteilung Drei für Ausländer. Ich habe den Verdacht, dass mein Mann mit einer dieser Unterabteilungen in Konflikt geraten ist und bei Nacht und Nebel gefangen genommen wurde.«
    »Zar«, sagte Sherlock, um das folgende Schweigen zu brechen. »Ist das so etwas wie ein König oder Kaiser?«
    »Gewissermaßen«, erwiderte Mycroft und riss sich aus seinen dunklen Gedanken. »Auch wenn es in gewisser Hinsicht nicht zu übersetzen ist. Merkwürdigerweise stammt der Begriff vom lateinischen
Caesar
ab.« Er schüttelte den Kopf. »Die Russen sind seltsam formell, wenn es um Titel und dergleichen geht. Sogar noch mehr als wir hier in England. Die allerletzte vom Zarenhof stammende diplomatische Korrespondenz, die mir untergekommen ist, begann …« Er schloss die Augen. »… wie ich mich erinnere, folgendermaßen: ›Wir, Alexander II ., von Gottes Gnaden Kaiser und Selbstherrscher von ganz Russland, von Moskau, Kiew, Wladimir, Nowgorod; Zar von Kasan, Zar von Astrachan, Zar von Polen, Zar von Sibirien, Zar der Chersonesus Taurica, Zar von Georgien; Herrscher von Pskow und Großfürst von Smolensk, Litauen, Wolhynien, Podolien und Finnland; Fürst von Estland, Livland, Kurland und Semgalien, Samogitien, Belostok, Karelien, Twer, Jugra, Perm, Wjatka, Bulgarien und anderer; Herrscher und Großfürst von Nischni Nowgorod, Tschernigow, Rjazan, Polozk, Rostow, Jaroslawl, Beleozero, Udorien, Obdorien, Kondien, Witebsk, Mstislawl und Gebieter des gesamten Nordischen Landes; Herrscher des Landes Iberien, Kartalinien und Karbada und der Armenischen Provinz, der Tscherkessischen und der Bergfürsten und anderer Erbherrscher und Besitzer; Herrscher von Turkestan, Thronfolger von Norwegen, Herzog von Schleswig-Holstein, Stormarn, Dithmarschen, Oldenburg und so weiter und so weiter und so weiter‹.« Er schlug die Augen wieder auf und holte tief Luft.
    »Die Anrede war länger als der Rest des Briefes. Ihr werdet also nicht überrascht sein, dass es die meisten Diplomaten nicht gerade reizvoll finden, nach Russland geschickt zu werden. Denn das alles müssen sie auswendig lernen.«
    »Aber du hast es ja auch auswendig gelernt«, stellte Sherlock fest.
    »Ja«, sagte Mycroft überrascht. »Aber ich bin ja auch Mycroft Holmes.«
    »Kommen wir zum Punkt«, unterbrach Crowe sie. »Was hat es für Folgen, wenn der Verkauf Alaskas an die USA schiefgeht und Spanien das Land bekommt? Warum sollte uns das kümmern?«
    »Es destabilisiert die ganze Region«, erwiderte Mycroft knapp. »Kanada ist ein neues und fragiles Land. Frankreich hat bereits einen starken Einfluss in der Quebec-Region, und Großbritannien hat immer noch die Kontrolle über British Columbia. Würde Spanien die Kontrolle über Alaska erringen, übertrügen wir alle Probleme, denen wir uns einst hier in Europa gegenübersahen, auf einen anderen Kontinent. Denkt an die Kriege, die zwischen Frankreich, England und Spanien im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert stattgefunden haben. Das Letzte, was wir wollen, ist, dass sich das alles wiederholt. Sie wollen wissen, was passiert, wenn man Spanien gestattet, die Herrschaft über Alaska zu erringen, Mr Crowe? Die Antwort lautet: Krieg. Und zwar ein Krieg, der Amerika bereits auseinanderreißen wird, während es noch herauszufinden versucht, mit wem es sich am besten verbündet!«
    Crowe nickte langsam. »Ich verstehe«, sagte er. »Quetscht man mehrere Länder so dicht zusammen, gibt es eben Ärger. Das ist, als würden drei oder vier Familien in einem kleinen Haus zusammenleben. Da ist Streit förmlich vorprogrammiert.«
    »Stabilität ist in unserem besten Interesse«, stellte Mycroft fest. »Und mit unserem meine ich Ihres und meines, Amerikas und Großbritanniens. Wie Sie mit Sicherheit wissen, hat sich Großbritannien während der vergangenen Dekade von einer Reihe von Kolonien getrennt. Unsere Kolonien in Kanada sind ein eigenständiges Land geworden, und ich würde mal vermuten, dass wir British Columbia in naher Zukunft entlassen, damit es sich Kanada anschließen kann. Wir versuchen unser Bestes, um für Stabilität in der Region zu sorgen. Eine Einmischung Spaniens, Frankreichs oder irgendeiner anderen Macht würde ein Beben erzeugen, das die politische und geographische