Young Sherlock Holmes 3
schwer, zwischen ihnen zu wählen. Violinen jedoch sehen alle mehr oder weniger gleich aus, klingen aber nicht so.«
Der alte Mann zuckte die Achseln. »Frag drei Violinisten und du bekommst vier verschiedene Antworten. Manche sagen, dass es mit dem Holz zu tun hat, aus dem sie gefertigt sind. Dichteres Holz sei besser, behaupten sie. Einige meinen, dass Holz, welches hinter Schiffskähnen durch das Adriatische Meer nach Venedig geschleppt wurde, der Violine einen süßeren Klang verleiht. Andere hingegen sagen, dass es überhaupt nichts mit dem Holz zu tun hat, sondern nur mit den geheimen Zutaten, die die Violinenbauer für die Lackierung verwenden. Ich selbst jedoch glaube, dass es mit Liebe zu tun hat. Ein Instrument, das nur für Geld gemacht wurde, wird …« Er wackelte vielsagend mit der Hand hin und her. »… akzeptabel klingen. Aber ein Instrument, das aus der schieren Liebe, es zu bauen, entstanden ist, klingt einfach nur schön.«
»Wissen Sie, wer diese Violine gebaut hat?«
»Nein, weiß ich nicht. Sie gelangte sozusagen unvorhergesehen und unangekündigt in unsere Familie. Aber in ihrer Konstruktion liegt viel Liebe, ebenso wie in den Materialien: im Holz, dem Leim und der Lackierung. So viel lässt sich sagen.«
»Wie …« Sherlock schluckte. »Wie viel kostet sie?«
»Siebzig Schillinge«, kam die prompte Antwort. »Aber da du ein schönes Instrument zu schätzen weißt, überlasse ich sie dir für fünfundsechzig.«
»Ich kann Ihnen fünfundvierzig Schillinge geben«, sagte Sherlock mit nervöser Stimme, im Bewusstsein, dass er noch drei Pfund und drei Schillinge, also insgesamt dreiundsechzig Schillinge in der Tasche hatte. Aber er wollte sichergehen, dass ihm noch etwas Geld übrig blieb, für den Fall, dass etwas Unerwartetes passierte.
Der alte Mann neigte den Kopf zur Seite. »Hab ich schon das Essen und das Brennholz erwähnt, das ich für meine Familie kaufen muss?«
»Haben Sie. Fünfundvierzig Schillinge«, erwiderte Sherlock bestimmt.
»Du bist ein Junge, dessen Herz sich in Stein verwandelt hat. Siebenundfünfzig und keinen Penny weniger.«
»Fünfzig«, sagte Sherlock und merkte, dass sein Atem sich beschleunigte.
Der alte Mann seufzte. »Vielleicht kaufe ich das Brennholz ein anderes Mal, und heute Abend essen wir eben kaltes Fleisch und kalte Suppe. Fünfundfünfzig.«
»Abgemacht!«
Sie schüttelten sich feierlich die Hände und Sherlock legte die Violine in den Kasten zurück. Er händigte dem alten Mann drei Guinea-Münzen aus, der ihm daraufhin fünf Schillinge Wechselgeld zurückgab.
»Pass gut auf sie auf«, sagte er. »Und solltest du mehr über die Violine herausfinden, dann komm zurück und erzähl es mir. Das würde mich sehr interessieren.«
»Das werde ich.«
In diesem Moment ging die Ladentür auf. Durch die Regalwand, die den hinteren Bereich des Ladens vom Vorderteil abschirmte, konnten weder Sherlock noch der alte Mann sehen, wer hereingekommen war.
Aber bevor der Alte etwas rufen konnte, hörte Sherlock eine Stimme sagen: »Der is hier rein! Ich schwör’s!«
»Du hättest gleich hinterher sollen und ihn abstechen«, ertönte daraufhin eine andere, tiefere Stimme, die klang, als würden zwei Ziegelsteine aufeinanderreiben. »Und nich auf mich warten.«
»Und was, wenn ich den Falschen erwischt hätte?«
»Dann würde heute Abend eben eine andere Familie trauern.«
10
Der alte Mann legte die Hand auf Sherlocks Schulter. »Auf der Rückseite ist eine Tür«, flüsterte er. »Die führt auf einen Seitengang hinaus. Geh und alles Gute!«
»Vielleicht is’ er weiter hinten«, hörten sie die erste Stimme.
Eilig nickte Sherlock dem alten Mann zum Dank zu, als dieser auch schon um die Ecke des Regals schlurfte. »Ah, halten Sie vielleicht nach ein paar schönen Büchern Ausschau? Übers Boxen, dem Aussehen ihrer Ohren nach zu schließen? Oder vielleicht nach ein paar Boxhandschuhen, um ihre Knöchel zu schützen?«
»Wir suchen einen Jungen, der hier rein is«, erwiderte die tiefere, rauere Stimme.
»Jungen kommen mir nicht in den Laden«, sagte der alte Mann. »Die klauen doch nur. Alles Diebe, einer wie der andere.«
»Aber ich hab gesehen, wie …«
Die Stimmen verblassten im Hintergrund, als Sherlock sich durch den engen Lagerraum hinter dem Laden bewegte und schließlich auf eine Tür stieß, die auf einen mit Müll übersäten Seitengang hinausführte. Rasch warf er einen Blick nach rechts und links. Der Gang, der zwei parallele Straßen
Weitere Kostenlose Bücher