Young Sherlock Holmes 3
Charing Cross Road begibst und dich nach ein paar Büchern über russische Geschichte und Kultur umsiehst. Die Russen unterscheiden sich sehr von uns – mit Sicherheit noch viel mehr als die Amerikaner.« Er wies mit einem Nicken auf Crowe.
»Aber lass mich dich mit ein paar ersten hilfreichen Fakten versorgen«, fuhr er fort. »Russland ist das größte Land der Erde. Würdest du seine Größe auf dem Globus ausmessen, würdest du feststellen, dass es fast ein Siebtel der Landfläche der Erde einnimmt. Allerdings besteht ein Großteil dieser Fläche aus Grasland in Permafrostgebieten, der Tundra, wie die Russen es nennen. Unsere genauesten Schätzungen besagen, dass der Zar ungefähr über fünfundsechzig Millionen Untertanen herrscht. Was eine Zahl ist, die schon mal das Vorstellungsvermögen übersteigen kann, vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Menschen zu einhundertundsechzig verschiedenen Völkern oder Stämmen gehören, einhundertzehn verschiedene Sprachen und Dialekte sprechen und fünfunddreißig verschiedene Religionen haben. In der Praxis ist Russland eine Welt in sich.
Das
ist der Ort, an den wir reisen.«
»Aber …«, begann Sherlock. »… aber ich spreche nicht einmal Russisch!«
»Das wird kein Problem sein«, beruhigte ihn Mycroft. »Nach meinen Informationen wird in den meisten gut situierten Familien, einschließlich derjenigen am Zarenhof, ganz selbstverständlich Französisch gesprochen. Ich spreche fließend Französisch, und ich glaube, dass sich deines während der letzten paar Monate seit deinem Aufenthalt in Frankreich noch verbessert hat. Also sollten wir zurechtkommen.«
Sherlock blickte zu Amyus Crowe. »Aber was ist mit Mr Crowe? Ich vermute mal, dass er nicht ein einziges Wort Französisch spricht.«
»Ja, und sein Englisch ist ebenfalls etwas suspekt«, murmelte Mycroft. Er schaute über den Tisch zu Sherlock hinüber, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den Sherlock nicht gleich deuten konnte, schließlich aber als Mitleid identifizierte. »Ich fürchte, dass Mr Crowe uns nicht begleiten wird. Das ist allein eine Reise für dich, mich und den Geigenspieler, den ich einzustellen gedenke.«
»Aber warum?«
»Wie du schon hervorgehoben hast, spricht Mr Crowe kein Französisch, von Russisch ganz zu schweigen. Er verfügt über keinerlei Fertigkeiten, die für eine Theatergruppe auf Tournee von Nutzen sein könnten. Er müsste entweder die liebreizende Virginia mitnehmen, womit sich unsere Gruppe auf fünf erhöhen würde, oder jemanden auftreiben, der vielleicht sogar für mehrere Wochen auf sie aufpasst. Und er fällt in der Menge auf, was, wenn wir inkognito zu reisen gedenken, ein Problem darstellt.«
»Keine Sorge«, sagte Crowe. »Ich habe nicht damit gerechnet, auf diesem kleinen Trip dabei zu sein. Geh nur und amüsier dich.«
Sherlock spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. »Aber ich
will
, dass Sie mitkommen.«
»Das Problem mit dem Leben ist«, bemerkte Mycroft, »dass es uns selten das gibt, was wir wünschen oder brauchen. Wie ich einmal gehört habe, bürdet uns der Herr nichts auf, das wir nicht auch ertragen könnten. Aber meiner Erfahrung nach stimmt das nicht und dient religiösen Menschen eher als Instrument, das Unzumutbare zu akzeptieren. Das Leben ist brutal, und wir können nicht einmal hoffen, es zu überleben.«
»Wie ich sehe, geht der Unterricht weiter«, sagte Crowe leise.
Mycroft warf ihm einen Blick zu. »Irgendwann muss der Junge es lernen.«
Crowe holte tief Luft, offenbar gewillt, das Thema zu wechseln. »Was ist mit dem Museum? Wird es dort irgendwelche weiteren Nachforschungen geben?«
»Ich habe die Polizei über die Rolle informiert, die das Museum in diesem Fall gespielt hat. Und ich habe auch ein paar, nun ja, sagen wir diskretere Untersuchungen durch bestimmte Zweige der Regierung initiiert. Aber ich bezweifle sehr, dass wir dort etwas finden. Entweder haben sie es als bequemen Treffpunkt genutzt, in welchem Fall sie dann nicht mehr machen mussten, als einfach zur Vordertür herauszuspazieren, damit wir ihre Spur verlieren. Oder sie hatten eine Art von Büro dort, wobei sie dieses dann wohl bereits in dem Augenblick geräumt haben, als Sie und Sherlock da hereingeplatzt sind. So oder so sind aus dieser Richtung keine weiteren Spuren zu erwarten. Wir haben es hier mit einer sehr professionellen Gruppe zu tun.«
»Du glaubst also nicht, dass das ganze Museum als Tarnung für die Leute dient, die dich hereinlegen
Weitere Kostenlose Bücher