Young Sherlock Holmes 3
Diogenes Clubs geschrieben.«
»Wirf noch mal einen Blick auf den Poststempel«, murmelte Crowe. »Welche Zeit ist da angegeben?«
»Fünfzehn Uhr dreißig, gestern Nachmittag«, erwiderte Sherlock verdutzt. »Wieso?«
Crowe musterte Sherlock mit ruhigem Blick. »Mitten am Nachmittag an einem Wochentag? Und er ist in seinem Club und schreibt Briefe, statt in seinem Büro zu sitzen. Ist das nicht ein etwas ungewöhnliches Verhalten für deinen Bruder?«
Sherlock dachte einen Augenblick lang nach. »Er hat mir mal erzählt, dass er zum Mittagessen häufig in seinen Club hinübergeht«, sagte er nach einer Weile. »Er muss den Brief während der Mittagszeit geschrieben und den Clubdiener beauftragt haben, das Schreiben für ihn zum Briefkasten zu bringen. Die Post wird dort wahrscheinlich am frühen Nachmittag eingesammelt worden und gegen drei Uhr in der Verteilerstelle angelangt sein. Eine halbe Stunde später ist er dann abgestempelt worden. Das alles klingt nicht gerade sehr verdächtig, oder?«
Crowe lächelte. »Nicht im Mindesten. Ich wollte auch eher darauf hinaus, dass sich aus einem einfachen Brief viele Fakten ableiten lassen. Hätte es sich zum Beispiel nicht um einen Westminster-Poststempel, sondern etwa einen aus Salisbury gehandelt, wäre das Ganze recht ungewöhnlich gewesen und hätte weitere Fragen aufgeworfen. Müssten wir davon ausgehen, dass dein Bruder tagsüber niemals seinen Schreibtisch verlässt – nicht einmal zum Mittagessen, was unwahrscheinlich ist, wie ich zugeben muss –, und das Schreiben wäre dennoch auf dem Clubbriefpapier verfasst worden, wäre dies ebenfalls ungewöhnlich. In diesem Fall könntest du vermuten, dass dein Bruder seine Stellung verloren hat. Oder dass ihn etwas so elementar beunruhigt hat, dass er nicht zur Arbeit erschienen oder früher gegangen ist.«
»Oder dass er vielleicht einfach nur Briefpapier aus dem Club mitgenommen hat, um es dann in seinem Büro zu benutzen«, stellte Sherlock klar.
Crowe musterte ihn stirnrunzelnd. »Vermutlich gibt es immer eine alternative Erklärung«, knurrte er schließlich leicht verlegen.
Sherlock begann, den Brief rasch zu überfliegen. Mit jedem Wort wuchs seine Erregung, bis er schließlich meinte, fast vor Fieber zu glühen.
Mein lieber Sherlock,
ich schreibe Dir in aller Eile, da ich gerade einen Steak-und-Kidney-Pudding erwarte und ich diesem die gebührende Aufmerksamkeit widmen möchte, bevor ich wieder ins Büro zurückkehre.
Ich hoffe, es geht Dir gut und die Narben von Deinen letzten Abenteuern sind mittlerweile verheilt. Auch hoffe ich, dass es unserer Tante und unserem Onkel gutgeht und dass sich unsere Mrs Eglantine nicht als allzu unangenehm erweist.
Es wird Dich sicherlich freuen zu hören, dass nun alle Vorkehrungen zu meiner Zufriedenheit getroffen sind, um die Fortsetzung Deiner Schulbildung in Holmes Manor zu erlauben.
Die Nachricht, dass Du niemals mehr zur Deepdene-Schule zurückmusst, wird für Dich vermutlich nicht allzu schockierend sein.
Amyus Crowe wird Dich weiterhin in den eher praktischen und sportlichen Aspekten des Lebens unterrichten, während sich Onkel Sherrinford bereit erklärt hat, die Verantwortung für Deine religiöse und literarische Bildung zu übernehmen. Bliebe nur noch die Mathematik, worüber ich noch nachdenken werde. Sobald ich diesbezüglich zu einer Entscheidung gekommen bin, werde ich es Dich wissen lassen. Das Ziel besteht natürlich darin, Dich innerhalb einer Zeitspanne von ein paar Jahren auf die Universität vorzubereiten.
Zu gegebener Zeit können wir dann besprechen, ob Du eher eine Vorliebe für Oxford oder Cambridge hast.
Heute Morgen ist übrigens ein Brief von Vater eingetroffen. Er muss ihn aufgegeben haben, als er in Indien angekommen ist, da er darin alles beschreibt, was er auf der Reise erlebt hat. Ich bin sicher, dass Du den Brief lieber selbst lesen möchtest, als alles von mir erzählt zu bekommen, und deshalb lade ich Dich ein, morgen mit mir zu Mittag zu essen (natürlich in meinem Club).
Bitte richte Mr Crowe aus, dass auch er eingeladen ist: Es gibt da ein paar Details bezüglich Deines Unterrichts, die ich mit ihm besprechen möchte. Der 9 -Uhr- 30 -Zug von Farnham bringt euch so rechtzeitig nach Waterloo Station, dass wir uns um Punkt zwölf Uhr treffen können.
Ich freue mich schon darauf, Dich morgen zu sehen und alles über die Ereignisse zu hören, die Dir widerfahren sind, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Dein Dich
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