Young Sherlock Holmes 3
Unterhaltung, um den Augenblick künstlich in die Länge zu ziehen.
Wormersley nickte. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Natürlich gehöre ich dazu. Ich bin nicht überrascht, dass du dahintergekommen bist, nicht im Geringsten überrascht, in Anbetracht der Fähigkeiten deines Bruders. Aber was mich dennoch interessieren würde, ist, was genau mich nun verraten hat.«
»Zwei Dinge«, erwiderte Sherlock und versuchte, seine Stimme weiterhin ruhig klingen zu lassen. »Da ist natürlich erst einmal Ihr Bart. Sie sagten, Sie seien schon über eine Woche auf der Flucht gewesen und von einem miesen Hotel ins nächste gezogen. Aber Ihr Bart ist sorgfältig getrimmt. Angesichts der Lage hätte ich doch erwartet, dass Sie wichtigere Sachen im Kopf haben als Ihre Körperpflege.«
Wormersley fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Da ist was dran. Ich konnte noch nie dem Verlangen widerstehen, möglichst gut auszusehen. Und die andere Sache?«
»Ihre Wohnung. Angeblich sollte sie durchsucht worden sein, doch das Durcheinander sah zu organisiert aus.« Genau das war es, so erkannte Sherlock nun, worauf sein Geist die ganze Zeit eigentlich seine Aufmerksamkeit hatte lenken wollen, als er über die Scherben der zerbrochenen Zierfiguren sinnierte. »Wäre wirklich jemand durch die Wohnung gegangen und hätte alles kurz und klein geschlagen, dann wären die Bruchstücke willkürlich verstreut gewesen. Doch die Scherben und Bruchstücke der kleineren Gegenstände lagen auf den zertrümmerten Möbeln. Jemand ist methodisch durch die Wohnung gezogen und hat zuerst die größeren Gegenstände zerschlagen und danach die kleineren. Das ist keine Durchsuchung, sondern eine Inszenierung.«
Wormersley nickte. »Das werde ich mir fürs nächste Mal merken. Exzellente Beobachtungsgabe, Mr Holmes. Wahrhaft exzellent.«
Sherlock blickte sich im Raum um. »Wir sind hier in der Öffentlichkeit, wissen Sie? Sie können mich wohl kaum rauszerren, ohne dass jemand reagiert.«
»Oh, ich glaube, du unterschätzt die russische Fähigkeit, wegzuschauen und sich rauszuhalten.« Er stieß ein Lachen aus. »Doch nur für den Fall, dass du es auf einen Versuch anlegen möchtest …« Er schaute sich in dem winzigen Café um und schnippte plötzlich mit den Fingern.
Jeder im Raum wandte sich zu ihm um und sah ihn an. Es lag keinerlei Überraschung in ihrem Gesichtsausdruck. Vielmehr ähnelten ihre Mienen Soldaten, die geduldig die Befehle ihres kommandierenden Offiziers erwarteten.
Sherlock starrte zu den beiden Frauen hinüber, die an der gegenüberliegenden Seite des Raumes an der Wand saßen. Die jüngere von ihnen hatte ihr braunes Haar unter ein Kopftuch zurückgesteckt, während die andere, eine Frau mittleren Alters, eine Pelzmütze trug. Miss Dimmock und Mrs Loran? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls nicht, bis die jüngere Frau ihn anlächelte und er plötzlich die feine Linie ihres Kiefers unter der Schminke erkennen konnte.
Und was die Männer im Raum anbelangte … konnte es sich tatsächlich um Mr Malvin, Mr Furness, Mr Eves und die diversen Musikanten handeln, deren Namen Sherlock nie richtig mitbekommen hatte? Der Orchesterleiter, wenn er es denn wirklich war, hatte sich den Schnurrbart abrasiert oder – noch wahrscheinlicher – seinen falschen Schnurrbart abgenommen. Doch der Mann, den Sherlock im Auge hatte, war groß genug, dass er es sein konnte.
Dann winkte ihm der Mann mit dem fleckigen Kartoffelgesicht zu. Er langte sich ans Gesicht und zog an der aufgedunsenen Haut. Kleine Stückchen lösten sich wie Spachtelmasse aus seinem Antlitz, und er schälte sich den Rest ab, bis seine wahren Gesichtszüge darunter zum Vorschein kamen: rot geäderte Wangen und eine blumenkohlförmige Nase. Es war Mr Furness. »Was für ’ne Erleichterung«, sagte er. »Das juckt wie Hölle. Nasenkitt, erinnerst du dich?«
Jetzt, da er direkt in ihre Gesichter blickte, konnte Sherlock sehen, dass es sich bei den Kindern in Wirklichkeit um Judah, Pauly, Henry und Rhydian handelte. Sie waren dick gegen die Kälte eingemummelt, hatten sich Dreck ins Gesicht gerieben und falsche Zähne vor die echten gesteckt. Ihre Wangen waren von innen ausgepolstert, um ihre Gesichter pausbäckiger wirken zu lassen, und ein dezentes Make-up hatte ihre Gesichtslinien verändert.
Pauly nickte Sherlock zu, während Henry nur nonchalant die Achseln zuckte, als wäre dies lediglich eine ganz alltägliche Begebenheit.
Obwohl er das
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