Young Sherlock Holmes 3
worden?«
Wormersley schaute zu Mrs Loran empor, als würde er um Erlaubnis bitten zu antworten. Sie nickte.
»Ich bin viel gereist«, begann Wormersley. »Und überall, wo ich war, habe ich gesehen, wie sich die Leute hintergehen, sich gegenseitig Leid zufügen und andere versklaven. Alles im Namen der Politik oder der Religion.« Der geistesabwesende Ausdruck auf Wormersleys Gesicht ließ darauf schließen, dass er an vergangene Zeiten und Orte dachte. »Die Welt ist dabei, ins Chaos zu stürzen. Jemand muss vortreten und die Initiative übernehmen.« Er lächelte, und sein Lächeln wirkte träumerisch und gefährlich zugleich. »Stell dir nur vor, Sherlock: eine Weltregierung! Seit den Zeiten Alexanders des Großen ist das nicht mehr möglich gewesen, und die Welt heute ist sehr viel größer! Ich bezweifle, dass es noch zu meinen Lebzeiten wahr wird. Aber ich kann helfen, dass es möglich wird, indem ich für die Paradol-Kammer arbeite.«
»Oder, nüchterner ausgedrückt«, übernahm Mrs Loran wieder das Wort, »saß Wormersley in Japan im Gefängnis. Die Japaner mögen keine Ausländer. Er wäre gefoltert und hingerichtet worden. Wir haben ihm eine Nachricht zukommen lassen und ihm angeboten, ihn rauszuholen, wenn er für uns arbeitet.«
Sherlock runzelte die Stirn. »Aber da ist noch eine Sache, die ich nicht verstehe. Mycroft und Graf Schuwalow werden am Ende allein in Schuwalows Büro sein. Was passiert dann? Wie wird Schuwalow sterben und wie Mycroft dafür verantwortlich gemacht? Sie können den Eismessertrick doch bestimmt nicht noch einmal abziehen, oder? Der Graf wird sich ja kaum selbst erstechen.«
»Das mit dem Eismesser war ein nützlicher Trick und eine gute Probe für ein künftiges Attentat. Aber du hast recht: Hier können wir das nicht noch einmal machen. Nein, wir haben einen anderen Plan, einen besseren.«
»Was für einen?«, fragte Sherlock.
»Das sollten wir doch als Überraschung lassen, nicht wahr?«, antwortete Mrs Loran.
Sherlock schüttelte den Kopf. »Sind alle Ihre Pläne so kompliziert? Ich weiß, Mycroft ist hergekommen und verhaftet worden. Und vermutlich kurz davor, von Graf Schuwalow verhört zu werden. Aber in jeder Phase hätte irgendetwas schiefgehen können. Die Polizei hätte Mycroft nicht freilassen können. Er hätte entscheiden können, nicht zu kommen oder das Ganze zu einer offiziellen Visite unter eigenem Namen zu machen. Oder Schuwalow hätte doch jemand anderen das Verhör durchführen lassen. Oder er hätte Mycroft in einer Kerkerzelle verhört – jedes beliebige Glied der Kette hätte reißen können. Die Chancen, dass sich alles wie geplant ergeben würde, waren astronomisch gering.«
»Betrachte das Ganze nicht als Kette«, erklärte Wormersley. »Sondern eher … tja, ich weiß auch nicht … als Fischernetz vielleicht. Jeder Knoten stellt eine Entscheidung dar. Doch um von einer Seite des Netzes auf die andere zu kommen, gibt es viele Wege. Wenn Mycroft zum Beispiel nicht von der Polizei freigelassen worden wäre, hätten wir ihm einen Rechtsbeistand besorgt, welcher offiziell von einem ihm wohl bekannten Gönner bezahlt worden wäre. Dann hätten wir diverse Indizien gestreut – Indizien, die die Polizei zu Beweisen für Mycrofts Unschuld geführt hätten. Natürlich nicht zu leicht und nicht zu schnell. Wir waren überrascht, als du und der große Amerikaner auf den Plan getreten seid. Aber das hat uns letztendlich die Arbeit erleichtert.« Er zuckte die Achseln. »Auch wenn wir deshalb versuchen mussten, euch im Museum aus dem Weg zu räumen, und dann gezwungen waren, unsere Reisepläne anzupassen, als feststand, dass Mycroft nicht ohne dich reisen würde.
Hätte Mycroft den Köder nicht geschluckt und wäre nicht nach Moskau gefahren, hätten wir den Einsatz einfach erhöht. Vielleicht hätte ich ihm noch eine persönliche Nachricht geschickt und um Hilfe gefleht. Wir haben viele Möglichkeiten durchgespielt, aber so oder so: Mycroft wäre mit Sicherheit nach Moskau gekommen, und sobald er erst einmal da wäre, hatten wir vor, der Dritten Abteilung einen Tipp zu geben, damit sie ihn verhaften kann. Ein Genie, so sagt man, hat unbegrenzte Aufnahmefähigkeiten für Details, und die Paradol-Kammer hat eine ganze Reihe von ausgewiesenen Genies in ihren Reihen. Genies, die alle daran arbeiten, unsere Ziele zu verwirklichen. Und so läuft alles unvermeidlich auf den einen Punkt heute Nachmittag um drei Uhr hinaus, wenn Mycroft in Schuwalows Büro
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