Young Sherlock Holmes 4
Wenn ich etwas herausfinde, werde ich es Sie wissen lassen.«
Er ließ sie in der Zelle zurück, während sie ihm mit neu entfachter Hoffnung in den Augen nachblickte.
Er erzählte Dunlow und Brough, dass er sich als Nächstes Sir Benedicts Herrenhaus ansehen wolle. Sie hoben die Augenbrauen, machten sich jedoch mit ihm auf den Weg, ohne ein Wort zu sagen.
Die Fahrt nahm weitere zwanzig Minuten in Anspruch. Mindestens fünfmal blickte Sherlock auf seine Uhr und zählte die Minuten und Sekunden.
Schließlich fuhren sie von der Straße ab und bogen in einen Zufahrtsweg ein, der in mehreren Kurven zu einem großen, abweisend wirkenden Haus emporführte. Doch statt vor der Fronttür zu halten, fuhr die Kutsche an dem Haus vorbei und bog in einen Seitenweg ein, der zum Hintereingang führte.
»Dienstboteneingang«, erklärte Dunlow.
Sie stiegen aus der Kutsche, und mit Dunlow vorweg und Brough auf Sherlocks Fersen gingen sie auf eine Tür an der Hinterfront des Gebäudes zu. Sie hatten sie kaum erreicht, als sie sich auch schon öffnete. Ein groß gewachsener dürrer Mann mit Oberlippenbärtchen stand vor ihnen und musterte sie. Er trug gestreifte Hosen und eine schwarze Jacke. Seine linke Wange schien leicht geschwollen, und Sherlock fragte sich, ob er gerade etwas gegessen hatte, als sie aufgetaucht waren.
»Was in Gottes Namen macht ihr beiden hier?«, zischte er. »Euer Boss hat diese Woche schon sein Blutgeld von mir bekommen. Verschwindet von hier!«
»Macfarlane will, dass sich der Junge hier mal die Stelle anguckt, wo Sir Benedict gestorben ist.«
»Das ist keine Touristenattraktion«, sagte der Mann. »Wir veranstalten hier keine Besichtigungstouren.«
»Sind die Bullen da?«
Der Butler schüttelte den Kopf. »Sie haben gesagt, dass sie schon alles haben, was sie brauchen.«
»Dann gibt’s keinen Grund, warum du uns nicht das Zimmer zeigen kannst, in dem dein Boss gestorben ist. Und die Küche, wo das Essen zubereitet wurde. Oder möchtest
du
meinem Boss erklären, dass du was dagegen hast?«
Der Butler zögerte. Er musterte Sherlock. »Aber nur der Junge. Und nur fünf Minuten. Keine Sekunde länger.«
Dunlow warf Sherlock einen fragenden Blick zu.
»Das sollte reichen«, meinte Sherlock.
Der Butler ging ins Haus voran. Er führte ihn durch den Dienstbotenbereich, dessen Wände gut einen neuen Anstrich hätten vertragen können und in dem der Teppich schon ziemlich zerschlissen wirkte, in den Hauptbereich des Hauses. Hier war der Anstrich einwandfrei, und die dicken Teppiche waren so bequem, dass man das Gefühl hatte, auf Wolken zu laufen. Er geleitete Sherlock in die Haupthalle. Eine Standuhr zierte eine Wand. Laut tickte sie vor sich hin, während die Sekunden verstrichen. Der Butler wandte sich zur Seite und betrat ein Speisezimmer. Sherlock registrierte, dass er irgendetwas kaute.
»Das ist der Ort, an dem Sir Benedict gestorben ist«, sagte der Butler. Er wies mit einem Nicken auf die Stirnseite des Esstisches. »Da hat er gesessen.«
Der Geruch von Tabak schwebte in Sherlocks Richtung, während der Butler sprach. Das erklärte die geschwollene Wange: Es war Kautabak.
»Wer hat das Essen reingebracht?«, fragte Sherlock. Er wusste die Antwort bereits von der Köchin, aber er wollte prüfen, ob sie ihm die Wahrheit gesagt hatte.
»Aggie Macfarlane.« Der Butler schürzte die Lippen. »Stand Sir Benedict sehr nahe. Zu nahe, wenn du mich fragst. Sie trug den Teller rein, als wäre alles ganz normal, dabei wusste sie, dass das Essen vergiftet war.«
»Sind Sie sicher, dass sie das Essen vergiftet hat?«, hakte Sherlock nach.
Der Butler machte ein finsteres Gesicht. »Wer hätte es sonst tun können?«, sagte er.
Das war eine gute Frage, die Sherlock sich auch schon die ganze Zeit stellte. »Was ist mit dem Teller?«, fragte Sherlock. »Hätte der mit Gift überzogen sein können?«
Der Butler zögerte, bevor er antwortete, und Sherlock registrierte, dass er den Kautabak in seinem Mund von einer Seite zur anderen beförderte. »Die Köchin hatte strikte Order, die Teller stets noch einmal abzuwaschen, bevor sie das Essen auftrug«, sagte er schließlich. »Das war allen bewusst. Den Teller zu vergiften hätte keinen Sinn gemacht.« Er versank in kurzes Schweigen und dachte nach. »Und wie ich gehört habe, hat die Polizei einem Hund dasselbe Essen verabreicht – nicht vom Teller, sondern aus dem Ofengeschirr, in dem sie das Kaninchen zubereitet hatte woraufhin der Hund gestorben ist.
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