Young Sherlock Holmes 4
jetzt«, er warf einen Blick auf seine Taschenuhr, »etwa neun Uhr. Um zwei ist ein Treffen mit den Männern geplant, die deine amerikanischen Freunde hier haben wollen. Du hast fünf Stunden, nicht mehr und nicht weniger.«
Sherlock blickte erst in Crowes, dann in Virginias blasses Gesicht und schließlich zu Matty, der ihm aufmunternd zulächelte und einen aufgerichteten Daumen entgegenstreckte.
»Wenn das alles ist, was ich zur Verfügung habe, dann wird es eben nicht länger dauern«, sagte er mit grimmiger Stimme und hoffte inständig, seinen prahlerischen Worten gerecht werden zu können.
Macfarlane wies auf einen seiner Männer. »Dunlow, du weißt, wo das Anwesen liegt. Sieh zu, dass augenblicklich eine Kutsche vor dem Vordereingang bereitsteht. Du und Brough begleitet den Jungen. Bringt ihn zuerst zu Aggie und dann zum großen Haus. Wenn er versucht abzuhauen, krallt ihn euch. Was immer auch passiert, seht zu, dass er bis zwei wieder hier ist. Kapiert?«
Die Männer nickten.
»Der Butler auf Sir Benedict Venthams Anwesen ist ein … nun ja, ein Kunde von mir«, erklärte Macfarlane Sherlock. »Sag ihm, dass du für mich arbeitest, und er wird dich reinlassen, damit du dich umsehen kannst. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was du da jetzt noch finden willst.«
»Geht mir ähnlich«, murmelte Sherlock. Er schickte sich an, mit Macfarlanes Mann, Brough, den Raum zu verlassen, als er sich noch einmal umdrehte und Virginia anlächelte. »Keine Angst, ich komme wieder«, sagte er.
»Das weiß ich«, erwiderte sie.
Brough war ein dürrer Bursche in den Dreißigern mit einem Kahlkopf voller Sommersprossen. Seine Lippen waren gekräuselt, als würde er irgendetwas Unangenehmes riechen. Er begleitete Sherlock durch die Räume zurück, durch die er zuvor getragen worden war. Was auch immer sich in der Grube befand, schnüffelte irgendwo auf der gegenüberliegenden Seite an der Bohlenumzäunung herum, als sie vorbeigingen. Im nächsten Raum waren die beiden Männer immer noch am Kämpfen. Träge tauschten sie Schläge aus, während sie einander dicht gegenüberstanden, ohne noch etwas anderes zu bewegen als ihre Arme. Sie sahen erschöpft aus, und ihre geschwollenen Gesichter waren blutüberströmt. Der Hundekampf hingegen war zu Ende, und die Menge, die sich um die Arena versammelt hatte, zerstreute sich gerade, während hier und da noch Geld von Hand zu Hand ging.
Sie steuerten auf die Ausgangstür zu und traten schließlich in matt wässriges Sonnenlicht hinaus, das durch regenschwere Wolken sickerte. Sherlock drehte sich um, um einen Blick auf das Gebäude zu werfen, das sie gerade verlassen hatten. Aufgrund der mächtigen Bodensteinplatten, der Wandteppiche, ausgestopften Tierköpfe und brennenden Fackeln erwartete er zumindest ein altes Herrenhaus vor sich zu sehen, vielleicht sogar ein Schloss.
Doch sein Erstaunen war groß, als er sah, dass es sich lediglich um ein riesiges Lagerhaus aus Holz handelte, das inmitten anderer Lagerhäuser stand. Die Gegend wirkte verlassen. Vermutlich befanden sie sich irgendwo in der Nähe des Hafens, wo einige dieser Männer arbeiteten. Von außen sah das Gebäude wie irgendein Ort aus, in dem nur Säcke mit Getreide lagerten, aber nicht wie der Unterschlupf einer kriminellen Bande. Eine weitere Tarnung, wie Sherlock vermutete. Mit genügend Energie und Mühe konnte man bewirken, dass eine beliebige Sache wie etwas ganz anderes aussah.
Dunlow wartete draußen bereits auf sie. Er war älter als Brough und kleiner und breiter. Aber wie es den Anschein hatte, bestand seine Körpermasse zum überwiegenden Teil nicht aus Fett, sondern Muskeln. Die beiden Männer führten Sherlock zu einer schwarzen Kutsche.
Eine halbe Stunde später fuhren sie vor einem Gebäude aus grauem Stein vor, dessen langgezogenes Dach mit schwarzem Schiefer gedeckt war. Die Fenster waren vergittert.
Edinburgh and Lothian Police
war in Stein gemeißelten Buchstaben über dem Eingang zu lesen.
»Hier sitzt die Schwester vom Boss«, sagte Dunlow. Seine Stimme klang, als würden Steine aufeinander reiben. Sich so nahe an einer Polizeistation aufzuhalten, schien ihm Unbehagen zu bereiten. »Lass mich rein und sehen, ob sie dich mit ihr reden lassen.«
»Ist das überhaupt wahrscheinlich?«, fragte Sherlock. »Ich meine, ich bin ja kein Verwandter oder so was. Und selbst wenn Sie behaupten, ich wäre es, muss ich nur den Mund aufmachen, und sie merken, dass ich kein Schotte bin.«
»Hier in
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