Young Sherlock Holmes 4
Satzes oder Absatzes mit anderen Buchstaben zu vertauschen, würde in einem vollkommen chaotischen Mischmasch bedeutungsloser Worte enden. Also musste es sich hier um einen anderen Code handeln. Er holte einen Stift aus seiner Tasche und begann rasch, die Anfangsbuchstaben der Worte an den Rand der Zeitung zu kritzeln:
F S d i O d E.
Aber schon nach wenigen Buchstaben merkte er, dass er auf der falschen Fährte war.
Gut möglich, dass es sich um die letzten Buchstaben handelt, überlegte er und brachte eine weitere Buchstabenfolge zu Papier:
n e n n t r g d
… Nein, das sah auch nicht vielversprechend aus.
Vielleicht sollte er lieber vom Textende her beginnen. Wieder versuchte er es mit beiden Optionen – erste Buchstaben, letzte Buchstaben –, aber alles, was bei seinen Mühen herauskam, war:
F i K v N d i
und
e n y n e r n
… Falls Crowe das Ganze nicht noch zusätzlich verkomplizierte und in einer fremden Sprache schrieb, war er wieder auf dem Holzweg.
Vielleicht sollte er sich lieber auf ganze Worte und nicht auf einzelne Buchstaben konzentrieren. Er versuchte es mit dem ersten Wort in jedem Satz:
Finden Verraten Denn Schon Wir.
Dann mit jedem zweiten Wort:
Sie Sie bei zwei Mr.
Mit dem Vorbehalt, dass sich das zweite ein wenig nach nicht gekonnter moderner Poesie anhörte, taugte das Ganze wieder nichts.
Seufzend biss er sich auf die Unterlippe, im Bewusstsein, dass Matty intensiv verfolgte, was er da machte. Allmählich gingen ihm die Ideen aus. Vielleicht war dieser Code eine Nummer zu groß für ihn.
Plötzlich regte sich zaghaft etwas in seinem Unterbewusstsein. Er versuchte sich zu entspannen und an nichts zu denken, damit der Gedanke den Weg an die Oberfläche fand.
Er hatte es mit den ersten Wörtern von Sätzen versucht und mit den zweiten. Was wäre … wenn er es mit dem ersten Wort des ersten Satzes, dem zweiten des zweiten und so weiter probieren würde?
Er kannte den Annoncentext mittlerweile so gut, dass er die Worte aus dem Gedächtnis aufschreiben konnte.
Finden Sie uns in Cramond.
»Ich hab’s!«, flüsterte er.
»Was?«
»Sie halten sich an einem Ort namens Cramond versteckt«, erwiderte Sherlock.
Wieder setzte Matty eine skeptische Miene auf. »Ich dachte, du hast gesagt, dass Cramond der Name von den Leuten wär’, denen das Hotel gehört.«
»Es gibt kein Hotel«, erklärte Sherlock nochmals. »Es ist ein Code. Mr Crowe musste den Namen ihres Aufenthaltsortes reinsetzen, aber er hat es nach etwas anderem aussehen lassen – nach einem Personennamen –, um dann noch einmal die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken, indem er sich auf einen realen Ort bezieht: auf Kirkaldy.«
»Na schön, und wo
ist
dieses Cramond?«
Sherlock holte den Stadtplan von Edinburgh hervor, den er in der Bibliothek gekauft hatte. Auf der Rückseite war eine Karte der Umgebung abgebildet. Oben rechts in der Ecke gab es ein Ortsverzeichnis, das auf ein durch Buchstaben und Zahlen am Kartenrand aufgeschlüsseltes Koordinatengitter verwies. Sein Blick glitt das Verzeichnis entlang nach unten, bis er – nicht ohne einen leichten Anflug von Stolz – Cramond gefunden hatte. Rasch suchte er die Gitterkoordinaten auf der Karte.
»Es liegt an der Küste«, sagte er. »Nur ein paar Meilen entfernt. Ich denke, es sollte sich jemand auftreiben lassen, der uns mit dem Pferdekarren dorthin bringen kann.«
Er faltete die Karte und die Zeitung zusammen und verstaute sie in seiner Tasche. Eine Welle der Erleichterung und Müdigkeit durchströmte hin. Er hatte es geschafft! Er hatte Amyus und Virginia Crowe aufgespürt!
Jetzt kam der harte Teil: herausfinden, warum sie geflohen waren, sie zur Rückkehr überreden und …
Eine plötzliche Bewegung oberhalb Mattys Schulter veranlasste ihn, an seinem Freund vorbeizuschauen. Zwei Männer näherten sich ihm von hinten. Einer hielt etwas in der Hand, das wie ein leerer Sack aussah. Es dauerte einen kurzen Moment, bis Sherlock ihn als den pockennarbigen Amerikaner identifizierte, den er zuerst in Farnham und dann in Guildford am Bahnhof gesehen hatte. Ein eiskalter Schauder lief ihm den Rücken hinunter, und er spürte, wie sich sein Herzschlag plötzlich beschleunigte. Er wollte Matty gerade zurufen, er solle die Beine in die Hand nehmen, als er merkte, dass sein Freund mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen an Sherlock vorbeistarrte.
Kein Zweifel, hinter seinem Rücken näherten sich weitere Männer – darunter vermutlich auch der Mann mit dem fehlenden
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