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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Ysobels Gemach um, das einmal Dame Thilda gehört hatte und nun die Handschrift seiner neuen Herrin trug. Die überladenen Draperien und die protzigen Schauschränke waren entfernt worden, und nun glich es mit den frühlingsbunten Wandteppichen und den weißgekalkten Wänden einer freundlichen Gartenlaube. Nur dass seiner Herrin die Fröhlichkeit fehlte, die zu einer solchen Umgebung passte.
    Oliviane betrachtete Ysobel versonnen. »Freust du dich denn nicht darauf, dass wir uns zum Osterfest alle wieder sehen werden? Wir waren einmal Leidensgenossinnen, vielleicht können wir jetzt aus freiem Entschluss Freundinnen werden. Es gibt so vieles, was uns verbindet!«
    »Ich reise nicht nach Rennes!«, entgegnete Ysobel entschieden.
    »Tatsächlich? Nach deiner Erzählung hätte ich gedacht, es liegt dir daran, den Seigneur de Comper wiederzusehen«, legte Oliviane vorsichtig einen ersten Köder aus.
    »Wozu?«, erwiderte Ysobel eigensinnig. »Damit er mich erneut demütigt und verlässt? Es liegt ihm nichts an mir, das habe ich dir doch gesagt!«
    »Du nimmst es tatsächlich hin, dass er seinen dummen Männerstolz über dein Glück stellt?« Oliviane verließ die Geduld. »Ich hätte dich für gescheiter gehalten. Wenn du ihn wirklich liebst, dann solltest du nicht wie ein Opferlamm alles mit dir machen lassen!«
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Den Eindruck habe ich auch!«
    Oliviane verzichtete auf weitere diplomatische Umwege. Im Gegensatz zu allen anderen wusste sie nur zu gut, in welcher Abgeschiedenheit und Ahnungslosigkeit Ysobel die letzten Jahre verbracht hatte. Von Männern und ihrer Art hatte sie etwa soviel Ahnung wie vom Schlangenbeschwören und Seiltanzen. Es war an der Zeit, dass sie die Hilfe einer Frau erhielt, die ihr Glück im Auge hatte.
    »Hör mit bitte zu. Joseph de Comper ist der jüngste Bruder von dreien. Ein Ritter ohne Land und ohne Vermögen. In seiner Lage hat er das einzig Vernünftige und Erfolgversprechende getan, er hat seine Waffen und seine Loyalität dem Herzog verpflichtet. Er hat Ruhm damit geerntet, aber weder Reichtum noch ein Lehen. Im Grunde bleibt einem Mann wie ihm nur noch eine Möglichkeit, seine Träume zu verwirklichen. Er muss eine reiche Frau finden! Am besten eine nicht mehr ganz junge Schönheit, aber wohlhabend und mit einem prächtigen Lehen versehen. Alle Welt hat Verständnis für einen solchen Schachzug und gratuliert ihm, wenn er das tut.«
    »Warum erzählst du mir das?«, fragte Ysobel verwirrt. Sie weigerte sich, die Schlüsse zu ziehen, die Oliviane ihr aufdrängte.
    Die Gräfin gab nicht auf. »Ein kluger Mann würde sich genau eine solche Frau suchen, um seinen Ehrgeiz zu krönen. Ein kluger Mann – aber auch ein stolzer Mann? Einer von der Sorte eines Jos de Comper?«
    Ihre Worte fielen in Ysobels Herz wie kleine Steinchen in die reglose Oberfläche eines ruhigen Teiches. Sie sanken nach unten, aber sie zogen Kreise. Ysobels Augen weiteten sich ungläubig. Wieso hatte sie nicht daran gedacht? Weshalb musste erst Oliviane kommen und sie mit der Nase auf die Tatsachen stoßen, die jeder vernünftige Mensch längst gesehen hätte?
    »Du meinst, es besteht die Möglichkeit, dass er mich verlassen hat, weil ich jetzt reich und ehrbar bin?«, fragte sie.
    »Ich weiß es. Die Männer, die wir geheiratet haben, gehören dem Rat des Herzogs an«, erklärte Oliviane sanft. »Sie haben zusammen gekämpft und gedient, nun aber eint sie ein weiteres Band, jenes der schwesterlichen Freundschaft ihrer Gemahlinnen. Sie haben Joseph de Comper auf den Zinnen von Locronan kämpfen sehen, und sie wissen, dass er sein Leben für dich geben würde ...«
    Ihre Blicke trafen sich. »Was ihn aber nicht davon abhält, ein eigensüchtiger, stolzer Narr zu sein!«, fügte Ysobel hinzu.
    »Er denkt in falsch verstandenem Edelmut, dass er dir nicht im Wege stehen darf, eine Verbindung mit einem Ritter zu schließen, der selbst Vermögen hat und deiner würdig ist! Er will dein Bestes!«
    »Meiner würdig ...« Ysobel lachte bitter. »Ich habe dir erzählt, was mir zugestoßen ist. Ein Landstreicher wäre meiner würdig!«
    »Jetzt bist aber du die Närrin!«, rief Oliviane aufgebracht. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass es immer die Frauen sind, die den Preis für die Kriege bezahlen? Egal, ob als Mutter, Geliebte oder Opfer? Und bist du je auf die Idee verfallen, einen Mann dafür zu schmähen, dass er sich eine Dirne nimmt, wenn ihm danach zumute ist? Meidest du ihn

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