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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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eben noch den Zügel des Tieres ergreifen, da rauschte sie bereits in der Pracht eines amarantfarbenen, pelzgefütterten Reitkostümes die Stufen zum Palas hinauf, wo Jeanne im letzten Moment glücklicherweise daran dachte, einen Knicks zu machen. Sie wurde mit einem flüchtigen Lächeln belohnt und bewunderte staunend das stolze Frauenantlitz, das von einer pelzgefütterten Kapuze und seidig schwarzen Flechten umrahmt wurde. Seine strahlende Schönheit wurde höchstens von der Selbstsicherheit übertroffen, die auf diesen Zügen stand.
    »Sag deiner Herrin, dass die Gräfin von Vannes zu Besuch gekommen ist, Mädchen! Lauf schon! Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen!«
    Die klangvolle Altstimme drang bis in die Halle, wo Ysobel soeben mit ihrer Haushofmeisterin über den Vorratslisten saß. Sie wollte versuchen, die Traditionen ihrer Mutter wiederaufzunehmen, aber das Ausmaß der Anschaffungen raubte ihr fast den Mut.
    Die Unterbrechung ließ sie aufschauen, und für ein paar Herzschläge sah sie die Gräfin an, ohne sich zu bewegen. Sie täuschte sich. Ihre Augen spielten ihr einen närrischen Streich. Das konnte nicht Oliviane de Rospordon sein, die stolze Novizin, die in ständigem Kampf mit Mutter Elissa ihre Unabhängigkeit bewahrt hatte.
    »... die Gräfin von Vannes ...«, hörte sie wie von ferne Jeannes atemlose Botschaft.
    »Oliviane!?«, wisperte sie.
    »Habe ich mich so verändert?«, spöttelte die Gräfin und trat näher. »Ich muss den Gipfel der Abscheulichkeit darstellen. Anders vermag ich mir dein fassungsloses Gesicht nicht zu erklären.«
    Mit einem erstickten Laut fuhr Ysobel aus ihrem Stuhl hoch und warf sich in die Arme ihrer Besucherin. Plötzlich stürzten ihr all die Tränen aus den Augen, die sie sich seit Wochen tapfer verboten hatte. Die Vergangenheit, die sie aus ihren Gedanken zu tilgen versucht hatte, wurde jäh wieder zur Gegenwart.
    »Ich hätte nie damit gerechnet, eine von euch wieder zu sehen«, stammelte sie, als sie sich halbwegs wieder gefasst hatte.
    Oliviane de Rospordon, verheiratete Dame Saint Croix, musterte ihre ehemalige Klostergefährtin und fand bestätigt, was ihr Gemahl gesagt und warum er sie auf den Weg geschickt hatte. Da war eine Aura von Melancholie und Trauer um Ysobel, die einem das Herz abdrückte. Ausgerechnet Ysobel, die in Sainte Anne für die anderen Novizinnen ein Vorbild an Selbstbeherrschung und Unabhängigkeit gewesen war. Ihr trotziger Widerstand gegen das letzte Gelübde hatte ihnen auf seltsame Weise stets den Rücken gestärkt. Ohne sie hätte vielleicht nicht eine von ihnen das Glück gefunden, das sie nun besaßen!
    »Ich bin gekommen, damit wir gemeinsam zum Osterfest nach Rennes reisen können«, verkündete sie so unbeschwert, als stelle der Umweg von Varines zum Delta des Port Rhu nicht viel mehr als einen netten Ausflug für sie dar. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dich so wohl und gesund vorzufinden. Ich habe dir soviel zu erzählen!«
    Ysobel verzichtete auf Widerspruch, obwohl sie nicht die Absicht hatte, diese Reise mitzumachen. Die stolze, hochfahrende Oliviane, die mit jeder Faser ihres Seins gegen das Klosterleben rebelliert hatte, war zu einer strahlenden Gräfin geworden, die augenscheinlich erwartete, dass alles nach ihrem Kopf ging. Obwohl um einige Jahre jünger als Ysobel, machte es ganz den Eindruck, als beabsichtige sie, die Rolle der älteren Schwester zu spielen.
    Eine Rolle, in die sie geradezu perfekt schlüpfte, während sie ihrer Gefährtin die abenteuerlichen Wege schilderte, auf denen sie selbst und die übrigen Novizinnen von Sainte Anne geflüchtet waren und wie sie schließlich ihr Glück gefunden hatten.
    »Ich fürchte, Mutter Elissa würde es nicht billigen, dass der Herzog jetzt das Kreuz von Ys in seinen Händen hält«, meinte sie. »Sie hielt nicht viel von Männern. Aber es war wohl der Wunsch des Schicksals, dass die Sterne von Armor wie durch ein Wunder alle unversehrt zu ihm gelangt sind. Vielleicht bedeutet das ja wirklich eine Zeit des Friedens für unsere Heimat! Nun, nachdem auch Paskal Cocherel endlich in der Hölle schmort, was ich inständig hoffe!«
    »Sie haben ihn mit diesem schrecklichen Gordien irgendwo in der Heide begraben«, erzählte Ysobel. »Niemand soll wissen, wo sein Grab ist, und ein Recht auf die heilige Erde eines Gottesackers hatte er ohnehin nicht ...«
    »Vergiss ihn, wie ich es getan habe!«, befahl Oliviane energisch. Sie sah sich bewundernd in

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