Ysobel – Das Herz aus Diamant
Worte der Witwe akzeptiert und sie dann gefragt, ob sie als Haushofmeisterin in ihren Dienst treten wollte. In der Burg war genügend Platz für die Kinder des toten Fischers und eine Frau, die tüchtig genug war, eine solche Brut unbeschadet über den Winter zu bringen, und gleichzeitig ehrlich genug, sich für eine eifersüchtige Anwandlung zu entschuldigen. Sie erschien ihr doppelt geeignet, unter dem aufgescheuchten und verstörten Gesinde von Locronan für Ordnung zu sorgen.
Dame Anne, wie man sie nun respektvoll nannte, enttäuschte sie nicht. Sie entpuppte sich als ebenso tüchtig wie verschwiegen und fähig. Sie stand wie ein Engel mit dem Flammenschwert vor ihrer Herrin und duldete nicht die kleinste Andeutung von Getratsche über die tragischen Ereignisse in ihrem nagelneuen Reich.
Es war ihr zu verdanken, dass die kleine Kapelle von Locronan umgehend gescheuert, gekalkt und geschmückt wurde. Ein besticktes Tuch machte aus dem steinernen Block unter dem Kreuz wieder einen Altar, und unter Dame Thildas zusammengerafftem Silberzeug fand sich mehr als ein Kelch für den Kaplan des Herzogs, der die erste feierliche Messe las, um das Gotteshaus neu zu weihen.
Jean de Montfort persönlich beauftragte einen Steinmetz mit der ehrenvollen Aufgabe, eine Muttergottesfigur zu schaffen, die an die unglücklichen Seelen erinnern sollte, die von Dame Thilda verschachert worden waren. Danach war er in seine Residenz zurückgekehrt, nicht ohne sich von Ysobel versichern zu lassen, dass sie zum Osterfest bei Hofe erscheinen würde.
Alles wäre zum Besten gewesen, hätte nicht eine Herrin über dieses kleine Reich geherrscht, die ihren grenzenlosen Kummer mit einer stillen Tapferkeit verbarg, die ihre Getreuen an den Rand ihrer Geduld brachte.
»Sie glaubt, sie sei nicht gut genug für ihn!«, vertraute Jeanne der Haushofmeisterin an.
»Siiiie? Heilige Mutter Gottes, verliert sie nun auch den Verstand? Warum denn nur? Es gibt keine Herrin, die frömmer und gerechter wäre.«
»Das schon, aber er ist fortgeritten, ohne ihr ein Adieu zu gönnen«, verriet Ysobels Dienerin seufzend. »Dabei hättet Ihr sein Gesicht sehen sollen, als sie da im Alkoven lag, nachdem er erfahren hatte, dass sie lebt. Meiner Treu, wenn ich jemals einen blind verliebten Kerl gesehen habe, dann ihn!«
»Natürlich liebt er sie«, stimmte auch die Witwe im Brustton der Überzeugung zu. »Wäre er sonst wie ein Wahnsinniger in die Nacht hinausgelaufen, als ich ihm diese Möwe gab? Er würde alles für sie tun! Ich wette, er würde sogar sein Leben für sie geben!«
»Und das beweist er, indem er sie verlässt?« Jeanne erlaubte sich ihre Zweifel am Heldenmut des Seigneurs. »Vielleicht ist sie ihm zu alt? Sie ist herzensgut und wunderschön, aber nicht mehr in dem Alter, in dem Bräute sind! Wer weiß, ob sie ihm überhaupt noch einen Erben schenken könnte? Vielleicht liegt’s daran?«
»Red keinen Unsinn!«, fauchte die neue Haushofmeisterin. »Ich war dreißig bei meinem Letzten, sie ist allerhöchstens fünfundzwanzig! Ein halbes Dutzend könnte sie noch bekommen!«
»Warum verschwendet er denn ihre und seine Zeit?«, fragte Jeanne.
»Das weiß der Himmel«, musste die Witwe zugeben.
»Regiert nicht darin ebenfalls ein Mann?«, erkundigte sich Jeanne betont unschuldig, und Anne Kennec bekreuzigte sich hastig.
»Heilige Mutter Gottes, was redest du für gotteslästerliches Zeug, Mädchen! Pass nur auf, dass der fromme Mönch dich nicht hört, den der Herr Herzog für unser Kirchenspiel geschickt hat.«
Jeanne runzelte die Stirn. Sie hatte Gott nicht lästern wollen, aber es musste doch erlaubt sein, über gewisse Zusammenhänge nachzudenken. Ein zweiter Blick in das missbilligende Gesicht der Haushofmeisterin brachte sie jedoch zur Ansicht, dass es besser wäre, dieses Thema nicht weiterzuverfolgen. Sie unterdrückte einen Seufzer und zupfte ihre makellose Schürze über dem Rock zurecht.
»Man müsste ihr helfen. Wenn ich nur wüsste, wie ...«
Sie war noch immer zu keiner vernünftigen Entscheidung gekommen, als an einem stürmischen, aber sonnigen Tag Ende März eine Reisegruppe über die Zugbrücke polterte. Von zehn Bewaffneten begleitet, gefolgt von einem rumpelnden Reisekarren und ein paar Reservepferden, führte eine Reiterin die Kavalkade an. Sie thronte in so lässiger Selbstverständlichkeit auf ihrem Damensattel, als wäre sie mit dem cremefarbenen Zelter verwachsen, den sie ritt.
Der herbeieilende Pferdeknecht konnte
Weitere Kostenlose Bücher