Zähl nicht die Stunden
und sieben Jahre alt, sich in dem Versteck zusammendrängten , das er hinten in seinem Kleiderschrank geschaffen hatte. Sein älterer Bruder Luke starrte mit leerem Blick vor sich hin , und der kleinere, Nicholas, drückte sich zitternd vor Furcht in Jakes Arme.
»Es passiert schon nichts« , flüsterte Jake. »Wir haben Wasser und einen Erste-Hilfe-Koffer.« Er wies auf die Sachen, die er für eben einen solchen Notfall gehortet hatte. »Wir müssen nur leise sein, dann passiert uns gar nichts.«
»Wo zum Teufel seid ihr, ihr Gesindel?«, schrie Eva Hart. »Seid ihr
auch abgehauen?«
»Nein«, stöhnte Jake und warf sich in dem breiten Doppelbett hin
und her. Jake, das Kind, legte ihm die Finger auf die Lippen. »Pscht!«
»Was fällt euch ein, mich ganz allein zu lassen?«, schrie seine Mutter in der Dunkelheit des kleinen Zimmers. »Liebt mich denn keiner in dieser fürchterlichen Familie?«
Jake spürte in seiner Lunge den Druck des angehaltenen Atems der
drei Kinder. Er stöhnte vor Schmerz und wälzte sich auf seine rechte Seite.
»Ich kann so nicht mehr leben«, jammerte Eva Hart laut schluchzend.
»Hört ihr mich? Ich kann so nicht mehr leben. Keiner liebt mich. Keinen interessiert es, was aus mir wird. Euch ist es doch egal, ob ich lebe oder sterbe.«
Nicholas begann zu weinen. Jake legte ihm behutsam die Hand auf
den Mund und küsste ihn auf das weiche braune Klein-Jungen-Haar.
»Da seid ihr also«, sagte Jakes Mutter, und ihre Schritte knallten dumpf auf dem braunen Teppich, als sie sich dem Kleiderschrank
näherte. Luke sprang auf, umklammerte den Griff der verschlossenen
Schranktür und hielt diese zu, als der Knauf sich unter seinen Händen zu drehen begann. »Verdammte Brut!«, kreischte ihre Mutter und trat mit den Füßen gegen die Tür, bevor sie aufgab. »Es ist sowieso egal. Alles ist egal.« Sie hörten ein Krachen. Mein Modellflugzeug, dachte Jake. Er hatte Stunden gebraucht, um es zu bauen. Er biss sich auf die Lippe. Er wollte nicht weinen.
»Wisst ihr, wo ich jetzt hingehe? Wisst ihr, was ich jetzt tue?« Ihre Mutter wartete. »Ihr braucht mir nicht zu antworten. Ich weiß genau, dass ihr mich hört. Und drum sag ich euch, was ich tun werde, weil keiner mich liebt und es euch allen egal ist, ob ich lebe oder sterbe. Ich geh jetzt in die Küche und mach das Gas an, und morgen früh, wenn
euer Vater von seiner Freundin nach Hause kommt, findet er uns alle tot in unseren Betten.«
»Nein«, schluchzte Nicholas in Jakes Armen.
»Nein!«, rief Jake, schob die Decke von seinen Schultern und
strampelte sie sich von den Beinen.
»Ich tu euch einen Gefallen«, rief ihre Mutter, die draußen über
Bücher und Spielsachen stolperte , hinfiel, wieder aufstand , einen Schuh an die verschlossene Schranktür schleuderte. »Ihr werdet nicht mal
merken, was passiert. Ihr werdet ganz friedlich im Schlaf sterben« , sagte sie und torkelte lachend wie eine Wahnsinnige aus dem Zimmer.
»Nein!« , rief Jake , das Kind , und klammerte sich an seine Brüder.
»Nein!« , rief Jake , der Erwachsene, und schlug mit beiden Armen wild um sich. Er hörte einen Aufschrei , fühlte Haut und Fleisch und Knochen unter seiner offenen Hand und öffnete die Augen.
»Mein Gott , Jason , was ist denn los?« , rief Honey erschrocken.
Das Kind brauchte einige Sekunden, um wieder zum Mann zu
werden , und der Mann brauchte einige Sekunden, um die Orientierung zu finden.
»Entschuldige, es tut mir Leid«, flüsterte er. Der Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen und mischte sich mit seinen Tränen. »Ach
Gott, Honey, es tut mir so Leid. Habe ich dir wehgetan?«
Honey zupfte sich an der Nase. »Ich glaube , sie ist nicht gebrochen«, sagte sie und neigte sich ihm zu, um seinen Arm zu streicheln. »Was war denn? War es wieder dieser Traum?«
Jake senkte den Kopf in die Hände. Er war am ganzen Körner nass
geschwitzt, und ihn fror. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Du hast eine Menge im Kopf.« Honey drehte sich zur anderen Seite
und knipste die Lampe auf dem Nachttisch an.
Die tristen Brauntöne seiner Kindheit wichen dem warmen Apricot
von Honeys Schlafzimmer. Honey warf die roten Locken in den Nacken.
»Willst du drüber reden?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich kaum.« Eine Lüge. Er
erinnerte sich an jedes Achselzucken , jedes Zittern , jedes Wort. Selbst jetzt , mit weit geöffneten Augen, konnte er sich selbst sehen, ein fünfjähriger Junge, der aus seinem
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