Zaehme mich
Ihrem Kind, um seine Selbständigkeit zu fördern und zu fordern.
Geben Sie Ihrem Kind die Chance, sich mit dem geforderten Verhalten zu identifizieren .«
Wenn sie mitspielte, ging es schneller. »Okay. An Wochentagen möchte ich gern bis neun wegbleiben können und am Wochenende bis zwölf.«
Lachen. »Die erste Regel beim Verhandeln: Immer mehr verlangen, als man erwartet. Also schön, ich lehne dein Angebot ab und schlage vor, dass du jeden Tag nach der Schule sofort nach Hause kommst. Über die Wochenenden verhandeln wir von Fall zu Fall, abhängig davon, wohin du willst und mit wem.«
»Ich kann nicht jeden Tag sofort nach Hause kommen.
Mein Englischlehrer erteilt mir nach dem Unterricht Nachhilfe.«
»Warum?«
»Ich habe ein bisschen Probleme. Auf meine letzte Schulaufgabe habe ich nur eine Zwei bekommen.«
Ihre Mutter nickte. »Na gut. Du kannst mit deinem Lehrer lernen, aber um halb sieben bist du zu Hause.«
»Kann ich jetzt ins Bett gehen?«
»Gleich. Wir müssen uns noch eine Bestrafung für dich überlegen. Etwas Angemessenes. Was würdest du für fair halten?«
»Ich dachte, das Verhandeln über meine Grenzen ist meine Strafe.«
»Wie drollig.« Ihre Mutter seufzte. »Na schön, dann entscheide eben ich. Du hast einen Monat Hausarrest. Du gehst in die Schule und kommst dann nach Hause. Einen Monat lang. Verstanden?«
»Wunderbar. Ich will sowieso nirgendwo anders hin als in die Schule.«
»Ja, Sarah, natürlich. Gute Nacht.«
Damit war Sarah entlassen. Sie gab sich größte Mühe, normal zu gehen und sich dabei möglichst im Schatten zu halten. Wenn ihre Mutter dieses Hinken bemerkte, oder schlimmer noch, die Kratzer an ihrem Hals, dann war es aus mit ihrem Leben. In der Tür warf sie ihrer Mutter noch einen verstohlenen Blick zu, um ganz sicherzugehen, dass ihr nichts aufgefallen war. Doch die Sorge hätte sie sich sparen können, ihre Mutter war bereits wieder in ihr Buch vertieft.
6
Sarah musste lächeln, als Mr. Carr ins Klassenzimmer kam. Er hatte sich an diesem Morgen nicht rasiert, und die winzigen Haare, die sie am Ende eines Tages oft auf seinem Gesicht spürte, waren deutlich sichtbar. Sie konnte ihn ja fragen, ob sie ihm mit den Zähnen ein Haar ausreißen durfte, oder vielleicht ließ er es sich sogar gefallen, dass sie ihn rasierte.
Doch nicht nur über seine Stoppeln lächelte sie; sein ganzes Aussehen heute war etwas merkwürdig.
Normalerweise trug er sein Haar ein wenig hochgegelt, heute lag es ihm flach am Schädel. Seine Nase war rot, als hätte er den Vortag am Strand verbracht, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er wirkte alt, irgendwie so, als würde er nach Hustenmedizin und Mottenkugeln riechen, wenn man in seine Nähe kam. Sie konnte es kaum erwarten, ihn damit zu necken, dass er wie ein Penner daherkam. Und er würde sich ebenfalls über sie lustig machen, weil auch sie höllenmäßig aussah. Diese gemeinsame Angeschlagenheit war eine Folge dessen, was sich gestern Abend im Jungenumkleideraum abgespielt hatte, und dieses Wissen machte sie gleich wieder ganz heiß. Sie platzte fast vor Freude darüber, wie verändert er wirkte. Schau, wie ihm meine Liebe zugesetzt hat, dachte sie. Mein Liebe ist so stark, dass man sie sehen kann.
Sie zwang sich, den Blick auf ihr Buch zu senken, damit es den Anschein hatte, irgendein Satz darin hätte sie zum Lächeln gebracht. Nicht dass irgendjemand sie beobachten würde, außer Jamie, der ohnehin genau wusste, wem ihr Lächeln galt. Sie schaute wieder auf und Mr. Carr direkt in die Augen. Ach, wie konnten Augen nur so grün sein! Sie kannte jeden Zentimeter seines Körpers; überrascht und erfreut hatte sie erlebt, was manche Teile davon konnten, doch seine Augen hatte sie bei weitem am liebsten. Seine Augen zogen sie vollkommen aus; unter seinem Blick war sie nackt auf eine Weise, die nichts mit Unbekleidetsein zu tun hatte.
Er räusperte sich. »Bevor wir beginnen, möchte ich etwas ankündigen.«
Ach, auch seine Stimme liebte sie. Vielleicht sogar noch mehr als seine Augen. Es war so schwer, ihn anzusehen, ohne ihn berühren zu können. Sie presste die Schenkel zusammen und starrte auf die Tischplatte.
»Wie ihr sicher alle wisst, bleiben uns in diesem Halbjahr ab jetzt nur drei Wochen.« Er wartete bis der Jubel verebbt war. »Das heißt, ihr müsst mich bloß noch vierzehn Unterrichtsstunden aushalten.«
Sarah schaute ihn an. Er blickte auf die hintere Wand, ohne zu lächeln.
»Wenn ihr aus den Ferien
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