Zaehme mich
Erinnerungen an den Raum bleiben. Sobald sie eingetreten war, befahl er ihr, sich auszuziehen, und dann stieß er sie auf den Boden. »Heute gehörst du mir.« Da wusste sie, dass er wirklich nach Brisbane zog.
In der ersten Stunde tat er nichts anderes, als sie in die Beine zu beißen. Er begann beim linken Knöchel, arbeitete sich hoch zum Schienbein, zur Wade, zum Knie, zum Schenkel und dann hinüber zum rechten Schenkel und wieder hinunter bis zum Knöchel. Sie schrie und trat ihm ins Gesicht, bis nicht mehr zu erkennen war, welches Blut von ihren Beinen und welches von seiner Nase und seinem Mund stammte.
»Ich hasse dich«, sagte sie, als er in ihr war und seine Beine über die tausend Bisswunden scheuerten.
»Nein, du hasst mich nicht.« Stöhnend zog er seinen Schwanz heraus und kam auf ihren Schenkeln. Dann rieb er ihr sein Sperma in die Haut und vermischte es mit ihrem Blut. Er leckte sie sauber und küsste sie so zart, dass sie wieder zu weinen anfing. Er schmiegte sich an ihre Brüste und lutschte sanft an ihren Nippeln. Er nannte sie Engel, Prinzessin, Ohsarahoh. Sie flehte ihn an, sie nicht zu verlassen.
»Ich muss es tun, aber es wird alles gut.« Seine Küsse wanderten über ihr Gesicht. »Und sind wir zwei, wir sind es bloß nach fester Zirkel Zwillingsweise: Der stete Fuß du, regungslos, und kreist doch mit des andern Kreise.«
»Was für ein Scheißdreck«, wimmerte Sarah. »Was für ein hirnrissiger Quatsch.«
»Sarah, du musst …«
Sie schlug ihm ins Gesicht, fest, ein-, zwei-, dreimal.
»Halt bloß den Mund. Du hast mich nicht zum Reden hierher geschleppt, und außerdem will ich sowieso nichts mehr von deinem Gelaber hören.«
Er nahm sie beim Wort. Den Rest des Tages passierte nichts mehr, was Ähnlichkeit mit Sprechen hatte. Es passierte nichts, was Ähnlichkeit mit irgendeiner anderen Erfahrung hatte, die sie in ihrem Leben gemacht hatte. Im Vergleich dazu waren die Bisse in die Beine vom Anfang nichts. Sie waren wie Händchenhalten. Sie glaubte, sterben zu müssen, und es machte ihr nichts aus. Das Tier kämpfte um sein Überleben, und sie wollte, dass es gewann.
Am Ende des Tages konnte Sarah kaum mehr aufrecht sitzen. Mr. Carr trug sie zur Dusche und wusch sie. Er weinte viel, aber er sagte ebenso wenig wie sie. Was wäre auch noch zu sagen gewesen, nachdem das Beißen und Reißen aufgehört hatte und die Schreie verstummt waren?
Schweigend fuhr er sie zur Bushaltestelle und blieb auch stumm, als sie ihm schluchzend die Fingernägel in den unnachgiebigen Arm bohrte. Irgendwann gab Sarah vor Erschöpfung auf. Sie stieg aus, und er fuhr weg.
TEIL ZWEI
1
Langsam schob sich Jamie durch die Party und hielt zwischen den Grüppchen von Leuten Ausschau nach Sarah. Jess war gerade mit einem neuen Freund im Schlepptau von einer sechsmonatigen Europareise zurückgekehrt, und Sarah hatte ihr Kommen angekündigt.
Inzwischen hatte Jamie schon im Flur gesucht, im Wohnzimmer, im Billardzimmer und in der Küche, und selbst für Sarah war es noch zu früh, sich in einem der Schlafzimmer einzuschließen. Er hätte darauf bestehen sollen, sie persönlich abzuholen und herzuschleifen. Nur so konnte man bei ihr sicher sein, dass sie auch auftauchte, wenn sie es versprochen hatte.
Bei einem Blick durch das Küchenfenster bemerkte er, dass draußen doppelt so viele Leute waren wie drinnen.
Wenn, dann war sie natürlich bei denen. Sarah hielt sich an die Theorie, dass die Raucher in jeder nur denkbaren Situation die interessantesten Leute waren, und da die Raucher inzwischen immer draußen standen, wollte auch Sarah immer raus. Für sie waren Raucher einfach am coolsten, weil sie sich einen Dreck um ihre Gesundheit scherten und der politischen Korrektheit ganz unverhohlen den ausgestreckten Mittelfinger zeigten. Vor allem, wenn sie noch jünger waren. Ältere Raucher konnten zumindest etwas zu ihrer Entschuldigung vorbringen: Damals haben wir das doch gar nicht gewusst oder Das bringt mich um, wenn ich jetzt noch aufhöre. Aber für Leute aus Sarahs und Jamies Generation gab es keine Ausreden. Sie waren jahrelang mit Gesundheitserziehung und staatlich finanzierten Kampagnen bombardiert worden, die aufgeschnittene Lungen mit schwarz heraustriefendem Teer vorführten. Von dem Augenblick an, in dem die Raucher aus der jüngeren Generation ihre erste Zigarette anzündeten und sie zögernd an die Lippen führten, wussten sie, dass sie einen Zug überteuerten schwarzen Tod einatmeten. Sarah hatte
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