Zaehme mich
zerknitterten, vergilbten Umschlag.
»Schau’s dir an.«
Sarah verdrehte die Augen, nahm aber den Umschlag und zog ein kleines Bündel Fotos heraus. Das erste war eine offizielle Schulaufnahme der vierzehnjährigen Sarah in marineblauem Faltenrock, weißer Bluse und marineblauem Blazer, das lange Haar zu beiden Seiten des Kopfs geflochten. Als Nächstes kamen zwei verwaschene Bilder von Sarah beim Fußballspielen in ihrem Sportdress.
Auf einem hielt sie zur Feier des Sieges die Arme in die Höhe, auf dem anderen rannte sie auf die Kamera zu, mit verbissener Miene einen unsichtbaren Gegner im Blick.
Dann kam ein Foto von Sarah beim Karnevalsschwimmen in der Schule. Es war fast die gleiche Aufnahme wie die in Jamies Brieftasche, bloß dass Jamie hier weggeschnitten und nur noch seine Hand auf Sarahs nasser Schulter zu sehen war. Mein Gott, was er wohl zu dem Ganzen sagen würde?
Beim letzten Foto zuckte sie zusammen. Als Sarah im Jahrbuchkomitee war, hatte Mr. Carr die Aufsicht und wollte für das Deckblatt ein paar Aufnahmen vom Team bei der Arbeit machen. Sarah und die anderen vier Schüler im Komitee warfen sich in doofe Posen mit herausgestreckter Zunge und zusammengekniffenen Augen. Er verschoss bestimmt einen ganzen Film, und sie fanden sich alle furchtbar komisch mit ihren Schielaugen und den Häschenohren, die sie über den Köpfen der anderen machten. Doch das Foto in Sarahs Hand gehörte nicht zu den albernen Aufnahmen, an die sie sich erinnerte. Es zeigte sie allein am Arbeitstisch, das Haar offen über eine Schulter fallend. Sie konzentrierte sich auf die Ausschnitte vor ihr, ohne etwas von der Kamera zu ahnen, die so auf sie gerichtet war, dass zwischen ihren mageren, unbefangen gespreizten Beinen das Dreieck ihres rosa Höschens sichtbar war.
Sie legte die Bilder vor sich auf den Boden. »Die sind doch gemacht worden, bevor wir … Das ist krank, Daniel.«
»Ich weiß. Als mich Lisa mit ihnen erwischt hat, ist sie durchgedreht, sogar mit der Polizei hat sie mir gedroht.
Ich habe ihr die Wahrheit gesagt – dass ich dich liebe –, aber das hat sie nur noch wütender gemacht. Sie hat sich zwar furchtbar aufgeregt von wegen Missbrauch und Ausnutzung, aber wahrscheinlich war es einfach bloß normale Eifersucht.«
»Und dann hat sie dich rausgeschmissen?«
Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, sie war sehr vernünftig. Sie hat mir getrennte Schlafzimmer und psychiatrische Behandlung angeboten, und ich habe dankbar angenommen. Der Psychiater hat mir mehr geholfen, als ich es mir hätte vorstellen können. Ich habe ihm alles über dich erzählt, über die Affäre, die Fotos, die Fantasien, einfach alles. Dann hat er mich gefragt, ob ich bereit bin, diese Erinnerungen hinter mir zu lassen. Wenn es mir ernst war mit der Absicht, meine Ehe zu retten, dann musste ich auch ernsthaft daran arbeiten, die Vergangenheit zu überwinden. Da habe ich gemerkt, dass ich das gar nicht will. Ich bin nach Hause gefahren und habe Lisa gesagt, dass ich sie verlasse und mich auf die Suche nach dir mache. Meine Töchter haben sich natürlich auf ihre Seite gestellt. Sie haben beide gesagt, dass sie von jetzt an keinen Vater mehr haben.«
»Daniel …« Sarah verstand ihn jetzt etwas besser. Er hatte viel mehr aufgeben müssen als sie. Sie verstand es, aber das machte ihr Verlangen nach ihm nur noch größer.
Sie strich ihm mit den Händen übers Gesicht, durchs Haar, vom Hals hinab zu den Schultern. »Ich liebe dich, und ich weiß jetzt, was du aufgegeben hast. Aber die Vergangenheit ist vorbei, und jetzt können wir zusammen sein.«
Er zog sich wieder aus ihrer Reichweite zurück. »Es ist mir wichtig, dass wir das richtig machen. Wenn du mich liebst, dann wartest du, bis ich fertig bin.«
Seufzend starrte sie auf die vor ihr ausgebreiteten Fotos.
»Die hast du also gemacht, um dir dabei einen runterzuholen?«
»Ich dachte, dass ich mich so abreagieren kann, damit ich nicht wirklich … Aber es hat nicht funktioniert. Immer wieder … Ich bin zu meinem Geistlichen gegangen und habe ihm erzählt, dass ich von einer anderen Frau besessen bin. Dass ich in Versuchung bin, Ehebruch zu begehen. Er hat mir gesagt, ich soll um Vergebung beten und mich mehr um meine Frau kümmern.«
»Und hast du das getan?« Die Vorstellung, dass er mit einer anderen zusammen war, brachte ihre Haut zum Kribbeln. Und sie war so hübsch, seine Frau, viel hübscher als Sarah.
»Ich habe es versucht. Es hat nicht geklappt. Jedes Mal, wenn
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