Zaehme mich
dachte, es ist klar, was ich meine«, antwortete er.
»Bei Donne ist nie irgendwas klar, Daniel. Den ganzen Tag hab ich hin und her überlegt, und jetzt schwirrt mir der Kopf.«
Er lachte leise. »Ich hab das Gedicht ausgewählt, weil ich das Thema passend fand. Alles, was ich sagen wollte, steht in den ersten zwei Zeilen.«
Sarah blickte auf das kaffeefleckige, zerknitterte Blatt und las den ersten Vers noch einmal, obwohl sie ihn auswendig konnte. »Ist das dein Ernst?« Sie hatte schreckliche Angst, dass er sie wieder auslachen, dass er auflegen oder sie als widerlich beschimpfen könnte.
»Wenn ich etwas sage, meine ich es auch ernst.«
»Und was du letzte Nacht gesagt hast, hast du das auch ernst gemeint?«
»Ja, gleich nach dem Auflegen musste ich mich übergeben. Dann habe ich das Gedicht abgeschrieben und bin rüber zu dir gefahren. Die ganze Nacht habe ich vor deiner Tür gesessen und habe dich weinen gehört. Da wurde mir klar, das Telefongespräch war der Wendepunkt, auf den ich die ganze Zeit gewartet habe. Wir hatten bizarren Telefonsex, und mir wurde schlecht, doch danach wollte ich nur noch mehr. Und ich wusste, du würdest wieder mitmachen. Wenn wir uns gegenseitig zum Weinen und zum Kotzen bringen können und uns trotzdem verzweifelt danach sehnen, zusammen zu sein …
Sarah, komm, sei mein Lieb und leb mit mir, und neue Freuden kosten wir.«
»Okay, ja. Okay.« Sarah musste wieder weinen. »Aber ich brauche ein bisschen Zeit. Ich muss meine Wohnung kündigen, ich muss mit Freunden reden, ich muss … einen Haufen Sachen eben. Dafür brauche ich mindestens zwei Wochen.«
»Ich geb dir eine«, sagte Daniel. »Ich lass dich in Ruhe, damit du das alles erledigen kannst, und in einer Woche hole ich dich zu mir.«
8
Eine Woche verging, und Sarah hatte nichts ins Reine gebracht. An dem Tag, als er es ihr gesagt hatte, einem Samstag, starrte sie nur die Wände an und rauchte. Die ganze Zeit ging ihr nicht aus dem Kopf, dass das ihre eigenen vier Wände waren, und auch wenn sie vergilbt waren, wenn die Farbe abblätterte und überall schmutzige Fingerabdrücke prangten, sie gehörten ihr, und niemand außer ihr hatte ein Recht darauf. Um halb zehn fiel ihr dann ein, dass die Wohnung gemietet war und die Wände daher doch nicht ihr gehörten, sondern ihrem Vermieter.
Nach elf Stunden Trauer um etwas, was gar nicht existierte, wurde Sarah manisch. Spärlich bekleidet machte sie sich auf den Weg in die asseligste Bar von ganz Parramatta.
Der Schuppen war halb voll mit Motorradfahrern und Möchtegernmotorradfahrern, lauten Besoffenen, dösenden Junkies und Drogendealern, die völlig nüchtern blieben, um nicht übers Ohr gehauen zu werden. Es gab nur wenige Frauen und keine, die so aussah, als könnte sie ohne Hilfe gehen. Alle Sehfähigen in dem Raum starrten Sarah voller Feindseligkeit oder Verlangen an. Sie setzte sich an die Bar neben einen Motorradfahrer mit leicht ergrautem Pferdeschwanz und Bart. Er gab sich nicht die Mühe zu verbergen, dass er auf ihre Brüste gaffte, und sein Grinsen war unverhohlen höhnisch. Sarah bestellte einen Tequila. Der Motorradfahrer bezahlte. Auf den Knöcheln seiner linken Hand stand FUCK.
»Fuck was?«
Er hielt ihr die rechte Hand vors Gesicht. Sie las LIFE.
» Fuck life? Was soll denn das heißen? Willst du tot sein?
Das lässt sich doch ganz leicht machen, wenn du es wirklich willst. Oder ist Fuck ein positives Wort in diesem Zusammenhang? Willst du das Leben ficken, weil du es so sehr liebst?«
Der Motorradtyp schien sie nicht gehört zu haben. Er nickte dem Barkeeper zu, und vor Sarah erschien ein weiterer Tequila. Sie trank ihn.
»Danke. Aber glaubst du wirklich, ich will einen Neandertaler bumsen, der sich sinnlose Kraftmeierphrasen auf die haarigen Pranken tätowieren lässt, bloß weil er mir zwei Drinks spendiert?«
Ein dritter Drink wurde auf den Tresen gestellt. »Kannst du überhaupt reden?«, fragte Sarah. »Du bist doch nicht taubstumm, oder so?«
»Bei blöden Laberfotzen wie dir wär ich’s am liebsten.«
Sarah fröstelte. »Also, das war unverschämt. Ich geh jetzt.
Danke für die Drinks.«
Zitternd vor Aufregung und mit einem ziemlich mulmigen Gefühl verließ sie schnell die Bar. Als sie um die Ecke bog, hörte sie hinter sich die Tür schlagen und schwere, gemächliche Schritte. Sie ging langsamer, ohne sich umzusehen. Die Schritte kamen näher. Eine Hand legte sich um ihren Hals, und sie wäre fast auf der Stelle gekommen.
Er
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