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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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hat er direkt vor mir gebadet. Ich musste in seinem Wasser baden, und das war schmutzig.«
    »Was? Was war das?«
    |396| »Ich habe gesehen, wie sie Tony herausgenommen haben, und dann haben sie mich hereingerufen, und das Wasser war schmutzig.«
    »Aber   – hast du darin gebadet?«
    »Ja, Mutter.«
    »Um Himmels willen!«, rief sie Dick zu.
    Der fragte: »Warum hat dir denn Lucienne nicht dein Bad eingelassen?«
    »Lucienne kann das nicht. Es ist so ein komischer Ofen   – gestern Abend gab es eine Stichflamme und hat ihr den Arm verbrannt, und jetzt hat sie Angst davor, deshalb hat eine von diesen zwei Frauen   –«
    »Du gehst jetzt sofort hier in die Wanne und badest.«
    »Aber verratet nicht, dass ich’s euch gesagt habe«, bat Lanier von der Tür her.
    Dick ging ins Bad und bestreute das Innere der Wanne mit Schwefel; dann schloss er die Tür und sagte zu Nicole: »Entweder wir reden mit Mary, oder wir reisen ab.«
    Sie nickte, und er fuhr fort: »Die Leute denken immer, ihre Kinder wären prinzipiell sauberer als die anderer Leute, und ihre Krankheiten weniger ansteckend.«
    Während er im Rhythmus des in die Wanne strömenden Wassers heftig auf einem trockenen Keks herumkaute, bediente Dick sich aus der Karaffe. »Sag Lucienne, dass sie lernen muss, mit dem Heizofen umzugehen   –«
    In diesem Augenblick kam eine der asiatischen Frauen selbst an die Tür.
»La Contessa   –«
    Dick winkte sie herein und machte die Tür zu. »Geht es dem kranken Jungen besser?«, fragte er höflich.
    »Besser schon, aber er hat immer noch diesen Ausschlag.«
    »Das tut mir leid. Aber wissen Sie, unsere Kinder dürfen |397| nicht in seinem Wasser gebadet werden. Das kommt gar nicht infrage   – ich bin sicher, Ihre Herrin wäre sehr wütend, wenn sie wüsste, dass Sie so etwas getan haben.«
    »Ich?« Sie schien wie vom Donner gerührt. »Also, ich habe bloß gesehen, dass Ihr Kindermädchen Schwierigkeiten mit dem Heizofen hatte   – ich habe ihr gezeigt, wie es geht, und das Wasser einlaufen lassen.«
    »Aber bei Kranken müssen Sie das Badewasser komplett ablassen und dann die Wanne schrubben.«
    »Ich?« Halberstickt zog die Frau die Luft ein, stieß ein unterdrücktes Schluchzen aus und verließ hastig das Zimmer.
    »Sie kann wirklich nicht auf unsere Kosten lernen, was westliche Zivilisation ist«, sagte Dick grimmig.
    Beim Abendessen beschloss er endgültig, dass der Besuch unbedingt abgekürzt werden musste: Über sein eigenes Land hatte Hosain nur zu berichten gewusst, es gebe dort viele Berge und Ziegen und einige Ziegenhirten. Er war ein sehr zurückhaltender junger Mann   – ihn wirklich ins Gespräch zu ziehen, hätte einen Aufwand bedeutet, den Dick mittlerweile nur noch in seine Familie zu investieren bereit war. Nach dem Essen ließ Hosain seine Frau und die Divers allein, aber die alte Eintracht war nicht mehr da   – zwischen ihnen lag das kipplige gesellschaftliche Gebiet, das Mary erobern wollte. Dick war erleichtert, als Mary um halb zehn eine Nachricht erhielt, die sie zum Aufstehen veranlasste.
    »Ihr müsst mich entschuldigen. Mein Mann wird eine kurze Reise antreten   – ich muss jetzt zu ihm.«
     
    Am nächsten Morgen erschien Mary kurz nach dem Diener, der den Kaffee gebracht hatte, in ihrem Salon. Sie war im |398| Gegensatz zu den Divers bereits völlig angekleidet und man hatte den Eindruck, dass sie schon seit einiger Zeit auf den Beinen war. Ihr Gesicht war von zuckender, stummer Empörung verzerrt.
    »Was ist das für eine Geschichte, dass Lanier in schmutzigem Wasser hat baden müssen?«
    Dick wollte protestieren, aber sie schnitt ihm das Wort ab. »Was habt ihr euch denn dabei gedacht, als ihr von der Schwester meines Mannes verlangt habt, dass sie Laniers Wanne putzen soll?«
    Sie blieb stehen und starrte sie wütend an, während sie hilflos wie Götzenbilder im Bett saßen und ihre Tabletts auf dem Schoß balancierten. »Seine
Schwester
?!«, riefen die Divers fast gleichzeitig.
    »Dass ihr einer seiner Schwestern befohlen habt, eine Badewanne zu putzen!«
    »Wir wussten doch nicht   …«, erschollen ihre Stimmen im Chor. »Das war diese eingeborene Dienerin, mit der ich gesprochen habe   –«
    »Ihr habt mit Hosains Schwester gesprochen.«
    Dick sagte noch einmal: »Ich dachte, es wären zwei Hausmädchen.«
    »Wir haben euch doch gesagt, es sind Himadoun.«
    »Was?« Dick stand aus dem Bett auf und zog sich einen Morgenmantel über.
    »Ich hab es dir vorgestern

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