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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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besonders Lanier nicht.
    »Ich bestehe darauf«, sagte er, als sie im Zug saßen, »dass es schmutziges Wasser 1* war.«
    »Es reicht«, sagte sein Vater. »Vergiss es lieber   – sonst lass ich mich von dir scheiden. Du weißt wohl gar nicht, dass es in Frankreich ein neues Gesetz gibt, wonach man sich von seinen Kindern scheiden lassen kann, was?«
    Lanier brüllte vor Lachen, und die Divers waren wieder vereint. Allerdings fragte sich Dick, wie oft er das wohl noch schaffen würde.

|402| 5
    Nicole trat ans Fenster und beugte sich hinaus, um den immer lauter werdenden Streit zu begutachten, der sich auf der Terrasse entwickelt hatte. Rosig schien die Aprilsonne auf das fromme Gesicht der Köchin und spiegelte sich blau auf dem Fleischermesser, das sie in ihrer betrunkenen Hand schwenkte. Augustine war jetzt seit ihrer Rückkehr in die Villa Diana im Februar bei ihnen.
    Da eine Markise im Weg war, konnte Nicole nur Dicks Kopf und eine Hand sehen, die seinen schweren Gehstock mit dem Bronzeknauf umklammerte. Messer und Stock bedrohten einander wie Kurzschwert und Dreizack bei einem Gladiatorenkampf.
    Dicks Worte erreichten sie als Erstes: »–   ist mir egal, wie viel Wein aus der Küche Sie saufen, aber wenn ich Sie dabei erwische, dass Sie sich eine Flasche Chablis Moutonne vornehmen   –«
    »Ausgerechnet Sie reden von saufen?!«, schrie die Köchin und fuchtelte mit dem Säbel. »Sie trinken doch dauernd!«
    Nicole rief über die Markise hinweg: »Was ist denn los, Dick?«, und er gab Antwort auf Englisch.
    »Das alte Mädchen säuft uns die besten Weine weg. Ich bin dabei, sie zu feuern   – jedenfalls versuche ich das.«
    »Du lieber Himmel! Lass sie bloß nicht mit diesem Messer an dich heran!«
    Jetzt schüttelte Augustine ihre Waffe in Richtung Nicole. Ihr alter Mund bestand aus zwei kleinen, sich überschneidenden Kirschen. »Ich möchte Ihnen bloß eins sagen, Madame, |403| wenn Sie wüssten, dass Ihr Mann in seiner Werkstatt säuft wie ein Tagelöhner   –«
    »Halten Sie den Mund und verschwinden Sie!«, unterbrach Nicole sie. »Wir holen die Polizei.«
    »
Sie
wollen die Polizei holen? Wo mein Bruder doch selber Gendarm ist?
Sie
– zwei abscheuliche Amerikaner?«
    Wieder auf Englisch rief Dick nach oben: »Halt die Kinder vom Haus weg, bis ich das geklärt habe.«
    »Abscheuliche Amerikaner, die herkommen, um unsere besten Weine zu saufen«, schrie Augustine mit der Stimme der Pariser Commune.
    Es gelang Dick, einen festeren Ton anzuschlagen. »Sie müssen jetzt gehen! Was wir Ihnen schulden, werden wir zahlen.«
    »Und ob Sie mir meinen Lohn zahlen! Und eins sage ich Ihnen   –« Sie kam ganz nahe heran und schwenkte so bedrohlich das Messer, dass Dick seinen Stock hob, woraufhin sie in die Küche rannte und mit einem Tranchiermesser und zusätzlich noch mit dem Handbeil zurückkam.
    Die Situation war nicht sehr angenehm   – Augustine war eine kräftige Frau und konnte nur unter erheblicher Gefahr für ihre eigene Gesundheit entwaffnet werden   – ganz zu schweigen von den rechtlichen Komplikationen, die jeden erwarteten, der einen französischen Bürger belästigte.
    Dick versuchte es mit einem Bluff. »Ruf die Polizei an!«, rief er zu Nicole hinauf. Dann zeigte er auf die Bewaffnung der Köchin und sagte zu ihr: »Das bedeutet, dass Sie verhaftet werden.«
    »Haha!« Sie lachte dämonisch, kam aber wenigstens nicht mehr näher.
    Nicole rief tatsächlich die Polizei an, wurde aber mit einem Lachen abgefertigt, das fast wie ein Echo von Augustines |404| Lachen war. Sie hörte Gemurmel und Flüstern   – dann wurde die Leitung abrupt unterbrochen.
    Sie kehrte ans Fenster zurück und rief zu Dick hinunter: »Gib ihr etwas extra!«
    »Wenn ich bloß ans Telefon könnte!« Da das aber nicht durchführbar schien, musste Dick kapitulieren. Für fünfzig Francs, die er auf hundert erhöhte, um sie rasch loszuwerden, gab Augustine ihre Festung auf und deckte ihren Rückzug mit verbalen Handgranaten wie
»Salaud!«
, die sie Dick an den Kopf warf. Endgültig gehen wollte sie allerdings erst, wenn ihr Neffe eingetroffen war, der ihr Gepäck tragen sollte. Während er misstrauisch in der Nähe der Küche wartete, hörte Dick einen Korken ploppen   – aber den Punkt ließ er laufen.
    Es gab keinen weiteren Ärger   – als der Neffe kam, voller Entschuldigungen, verabschiedete Augustine sich vergnügt mit einem geselligen »Leben Sie wohl!«, ehe sie
»Au revoir, Madame! Bonne chance!«
zu

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