Zaertlich ist die Nacht
Abend erklärt, als wir am Flügel saßen. Erzähl mir nicht, du warst zu betrunken, um das zu verstehen.«
»Ach, darüber hast du geredet? Ich hatte den Anfang nicht mitbekommen. Ich habe den – wir haben den Zusammenhang nicht verstanden, Mary. Na ja, jetzt können wir nur noch zu ihr gehen und uns entschuldigen.«
|399| »Entschuldigen! Ich habe dir erklärt, wenn der älteste Sohn heiratet, dann verpflichten sich seine beiden ältesten Schwestern zu einem Leben als Himadoun, das heißt sie werden zu Zofen der Braut.«
»Hat Hosein deswegen gestern Abend das Haus verlassen?«
Mary zögerte, dann nickte sie. »Das musste er tun – sie sind alle drei abgereist. Seine Ehre verlangt das.«
Jetzt waren beide Divers aufgestanden und zogen sich an.
Aber Mary war noch nicht fertig. »Was ist das für eine Geschichte mit dem Badewasser? Als ob in diesem Haus so etwas vorkommen würde! Wir werden Lanier fragen, was er sich dabei gedacht hat.«
Sie ging zur Tür und sprach auf Italienisch mit einem Bediensteten. Dick saß auf dem Bett und gab Nicole ein Zeichen, dass sie jetzt übernehmen sollte.
»Warte mal«, sagte Nicole. »Das kann ich nicht zulassen.«
»Ihr habt uns beschuldigt«, erwiderte Mary in einem Ton, den sie Nicole gegenüber noch nie benutzt hatte. »Da habe ich ja wohl das Recht, mich selbst vom Sachverhalt zu überzeugen.«
»Ich lasse nicht zu, dass der Junge hineingezogen wird.« Nicole zog ihren Morgenrock an wie ein Kettenhemd.
»Lass nur«, sagte Dick. »Lanier soll herkommen. Wir werden diese Badewannengeschichte aufklären und sehen, ob es eine Tatsache ist oder ein Märchen.«
Lanier erschien körperlich wie seelisch nur halb bekleidet und starrte die ärgerlichen Gesichter der Erwachsenen unsicher an.
»Hör mal, Lanier«, fragte ihn Mary, »wie bist du auf die Idee gekommen, dass du in Wasser gebadet worden bist, das schon benutzt war?«
|400| »Sprich laut und deutlich«, fügte Dick hinzu.
»Es war eben schmutzig, das war alles.«
»Hast du nicht das frische Wasser einlaufen hören? Dein Zimmer ist doch direkt daneben.«
Lanier gab das zu, wiederholte aber seine Behauptung, das Wasser sei schmutzig gewesen. Er war ein bisschen eingeschüchtert, versuchte aber, vorausschauend zu antworten: »Es kann gar nicht eingelaufen sein, denn –«
Jetzt wurde er festgenagelt: »Warum nicht?«
Da stand er in seinem kleinen Kimono und erweckte das volle Mitgefühl seiner Eltern, während Mary nur ungeduldiger wurde. Dann sagte er: »Das Wasser war schmutzig. Es war voller Seife.«
»Wenn du dir nicht ganz sicher bist –«, begann Mary, aber Nicole unterbrach sie.
»Hör auf, Mary. Wenn schmutzige Seifenlauge im Wasser war, dann war es ja logisch, dass er dachte, es wäre schmutzig. Sein Vater hat ihm gesagt, er solle –«
»Es kann gar keine schmutzige Seife im Wasser gewesen sein.«
Lanier warf seinem Vater, der ihn verraten hatte, einen vorwurfsvollen Blick zu. Nicole drehte ihn an den Schultern herum und schob ihn aus dem Zimmer; schließlich entspannte Dick die Situation mit einem Lachen.
Und plötzlich, als hätte dieses Geräusch die Vergangenheit und die alte Freundschaft zurückgebracht, spürte Mary offenbar, wie weit sie sich von ihnen entfernt hatte und sagte in versöhnlichem Ton: »Ach, mit Kindern ist es doch immer dasselbe.«
Ihr Unbehagen wuchs, je mehr sie an die Vergangenheit dachte. »Es wäre albern, wenn ihr jetzt wegfahren würdet – Hosain wollte diese Reise doch ohnehin machen. Außerdem |401| seid ihr ja
meine
Gäste, und ihr seid in diese Sache nur reingestolpert.«
Aber Dick, den diese unklare Äußerung und das Wort »reinstolpern« bloß noch mehr ärgerte, wandte sich ab und begann, seine Sachen zu ordnen: »Das mit den jungen Frauen tut mir sehr leid. Bei derjenigen, die hier hereingekommen ist, würde ich mich gern entschuldigen.«
»Wenn du mir bloß zugehört hättest, auf dem Klavierhocker.«
»Aber du bist so verdammt langweilig geworden, Mary! Ich habe dir so lange zugehört, wie ich nur konnte.«
»Sei still!«, sagte Nicole zu ihm.
»Das Kompliment kann ich ihm gern zurückgeben«, sagte Mary bitter. »Leb wohl, Nicole.« Damit ging sie hinaus.
Nach alledem war klar, dass Mary nicht mehr kommen würde, um sie zu verabschieden; der Majordomus arrangierte die Abreise. Dick hinterließ förmliche Schreiben für Hosain und die Schwestern. Dann mussten sie nur noch abreisen, aber sie hatten dabei alle kein gutes Gefühl,
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