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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Bett lag.
    Als sie laut
Aaouu!
schrie, hing die Armbanduhr immer noch lose an ihrem Handgelenk und schlug an den Schreibtisch. Getrieben von der verrückten Idee, es handle sich um Abe North, rannte sie zur Tür und stürzte über den Flur.
    Dick war dabei, Ordnung zu machen; er hatte die Handschuhe inspiziert, die er heute getragen hatte, und sie zu den anderen schmutzigen Handschuhen in seinem Wäschekoffer geworfen. Er hatte seine Jacke und seine Weste auf einen Bügel gehängt und sein Hemd ebenfalls   – das war so ein kleiner Trick von ihm. »Ein leicht verschmutztes Hemd kann man zur Not noch mal anziehen«, sagte er immer, |169| »aber ein zerknittertes zieht man bestimmt nicht mehr an.« Nicole war nach Hause gekommen und kippte gerade einen von Abes scheußlichen Aschenbechern in den Mülleimer, als Rosemary ins Zimmer gestürmt kam.
    »Dick! Dick! Komm schnell!«
    Dick trabte über den Flur in ihr Zimmer. Er kniete sich hin, um Petersons Herz und den Puls zu prüfen   – die Leiche war noch warm. Das Gesicht, das im Leben schon gehetzt und unsicher gewesen war, war im Tod hässlich und bitter; seine Werkzeugkiste hatte er unter dem Arm, aber der Schuh, der über die Bettkante baumelte, war ungeputzt und die Sohle war durchgelaufen. Nach dem Gesetz durfte Dick den Toten nicht anfassen, aber er bewegte den Arm ein Stückchen, um etwas zu sehen, und fand einen Fleck auf der grünen Tagesdecke. Er wusste, dass auch auf der Decke darunter ein blasser Blutfleck sein würde.
    Dick schloss die Tür und dachte nach; er hörte auf dem Korridor vorsichtige Schritte, dann rief Nicole ihn beim Namen. Er öffnete die Tür und flüsterte: »Bring mir von einem unserer Betten die Tagesdecke und die Decke darunter   – aber lass dich von niemandem sehen.« Und als er das angespannte Gesicht seiner Frau sah, fügte er hastig hinzu: »Hör mal, du darfst dich deswegen nicht aufregen   – es ist bloß so ein Niggerschrott.«
    »Ich möchte, dass es vorbei ist.«
    Der Tote, als ihn Dick hochhob, erwies sich als unterernährt und nicht sehr schwer. Er hielt ihn so, dass alles weitere Blut aus der Wunde in die Kleider des Mannes fließen würde, legte ihn auf den Boden, streifte die beiden obersten Decken vom Bett, machte die Tür einen Spalt auf und lauschte   – ein Stück weit den Flur hinunter hörte man Teller klirren, dann ein lautes, arrogantes
Merci, Madame!
|170| Der Kellner ging in die andere Richtung, zur Dienstbotentreppe. Rasch tauschten Dick und Nicole ihre Deckenbündel über den Korridor.
    Nachdem er die neuen Decken auf Rosemarys Bett gelegt hatte, stand er schwitzend im warmen Zwielicht und überlegte. Einige Punkte waren ihm sofort nach der Untersuchung der Leiche bewusst geworden: Erstens, dass vermutlich Abes erster feindlicher Indianer den freundlichen Indianer verfolgt, auf dem Korridor schließlich gestellt und in Rosemarys Zimmer ermordet hatte, als dieser sich in seiner Verzweiflung dorthin geflüchtet hatte. Und zweitens: Wenn die Dinge ihren normalen Gang gingen, konnte keine Macht der Welt mehr verhindern, dass Rosemarys Name beschmutzt wurde   – die Tünche über dem Fall Arbuckle war noch ganz frisch. Und Rosemarys Vertrag beruhte zwingend und ohne jeglichen Spielraum darauf, dass sie in jeder Beziehung ganz »Daddys Girl« blieb.
    Automatisch machte Dick die alte Bewegung des Ärmelhochkrempelns, obwohl er nur ein Unterhemd anhatte, und beugte sich über den Toten. Er packte ihn an der Jacke, stieß mit den Hacken die Tür auf, zog die Leiche hinaus auf den Flur und brachte sie in eine plausible Haltung. Er beseitigte die Schleifspuren auf dem weichen Teppich in Rosemarys Zimmer, kehrte in sein eigenes Zimmer zurück und rief den Direktor und Besitzer des Hotels an.
    »Monsieur McBeth? Hier spricht Doktor Diver   – es geht um etwas sehr Wichtiges. Können wir ungestört sprechen?«
    Jetzt erwies es sich als nützlich, dass er sich schon immer bemüht hatte, eine gute Beziehung zu Mr McBeth herzustellen. Dies war die Stunde der Bewährung für all die Freundlichkeit, die er auf einer langen Strecke gemeinsamen Weges verstreut hatte   …
    |171| »Als wir gerade aus unserer Suite kamen, haben wir einen toten Neger gefunden   … auf dem Flur   … nein, nein, er ist Zivilist. Warten Sie eine Sekunde   – ich dachte mir, Sie wollen nicht, dass Ihre Gäste über die Leiche stolpern, deshalb rufe ich an. Ich muss Sie natürlich bitten, meinen Namen da rauszuhalten. Ich will mich ja

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