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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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nicht lange mit der französischen Bürokratie herumschlagen, bloß weil ich den Burschen gefunden habe.«
    Was für eine taktvolle Rücksichtnahme auf das Hotel! Allerdings konnte Mr McBeth die Geschichte nur deshalb so fraglos hinnehmen, weil er diese edlen Charakterzüge schon lange und gerade vor zwei Nächten erst wieder bei Doktor Diver beobachtet hatte.
    Eine Minute später erschien Mr McBeth auf dem Flur, und eine weitere Minute später kam ein Polizist. In der Zwischenzeit fand der Hotelbesitzer gerade noch Gelegenheit, dem guten Doktor zuzuflüstern: »Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Bemühungen. Sie können sicher sein, dass die Namen der Hotelgäste
alle
geschützt werden.«
    Mr McBeth unternahm auch gleich einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung, den man sich an dieser Stelle nur vorstellen kann, der aber dazu führte, dass der Gendarm alsbald in einer Mischung von Gier und Ängstlichkeit an seinem Schnauzbart herumzupfte. Er machte sich ein paar oberflächliche Notizen und rief dann auf seinem Revier an. Anschließend wurden in diesem weltberühmten Hotel die sterblichen Überreste von Jules Peterson mit einer Geschwindigkeit, die er, als Geschäftsmann, wahrscheinlich durchaus verstanden hätte, in ein anderes, unbewohntes Apartment getragen, und Dick kehrte in seinen Salon zurück.
    »Was ist passiert?«, schrie Rosemary. »Schießen alle Amerikaner in Paris aufeinander?«
    |172| »Die Jagdsaison scheint eröffnet zu sein«, erwiderte er. »Wo ist denn Nicole?«
    »Ich glaube, sie ist im Bad.«
    Rosemary liebte ihn über alles dafür, dass er sie gerettet hatte. Die Katastrophen, die sich aus der Angelegenheit für sie hätten entwickeln können, hatten ihr deutlich vor Augen gestanden, und sie hatte seiner starken, sicheren, höflichen Stimme in wilder Anbetung zugehört, als er die Dinge geregelt hatte. Aber noch ehe sie sich ihm mit Leib und Seele in die Arme zu werfen vermochte, konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes: Er lief ins Schlafzimmer und von dort aus ins Bad. Und jetzt hörte auch Rosemary lauter und lauter das unmenschlich grauenhafte Geschrei, das durch die Schlüssellöcher und Türritzen drang, in die Suite flutete und als Schrecken Gestalt annahm.
    In der Vorstellung, Nicole sei im Badezimmer gestürzt und habe sich dabei verletzt, lief Rosemary hinter Dick her. Aber das war es nicht, was sie sah, ehe Dick sie zurückstieß und ihr schroff die Sicht mit der Schulter versperrte.
    Nicole kniete neben der Badewanne und pendelte hin und her. »Du bist dran schuld!«, schrie sie. »Du bist gekommen, um mir die letzte Intimität zu nehmen, die ich noch habe   – mit deiner Decke voll rotem Blut. Ich werde sie für dich tragen   – ich schäme mich nicht, obwohl es so eine Schande war. Am Ersten April hatten wir eine Party am Zürichsee, und alle Narren waren gekommen, und ich wollte in einer Bettdecke kommen, aber sie haben mich nicht gelassen   –«
    »Beherrsch dich bitte!«
    »–   und da saß ich im Badezimmer, und sie haben mir einen Dominoanzug gebracht und gesagt, den soll ich tragen. Ich hab’s getan. Was hätte ich machen sollen?«
    |173| »Beherrsch dich, Nicole!«
    »Ich habe nie erwartet, dass du mich liebst   – es war zu spät   – nur komm nicht ins Badezimmer, den einzigen Ort, wo ich allein sein kann, mit deinen blutigen Bettdecken, damit ich sie sauber mache!«
    »Beherrsch dich. Steh auf   –«
    Rosemary stand inzwischen zitternd wieder im Salon, hörte die Badezimmertür zuschlagen und wusste jetzt, was Violet McKisco im Badezimmer der Villa Diana gesehen hatte. Sie hörte das Telefon klingeln, nahm den Hörer ab und weinte beinahe vor Erleichterung, als sie merkte, dass es Collis Clay war, der sie bis in das Apartment der Divers verfolgt hatte. Sie bat ihn heraufzukommen, denn sie wagte nicht, allein in ihr Zimmer zu gehen, um ihren Hut zu holen.

|175| Buch II

|177| 1
    Im Frühjahr 1917, als Doktor Richard Diver zum ersten Mal nach Zürich kam, war er siebenundzwanzig, ein schönes Alter für einen Mann, der Höhepunkt der Junggesellenzeit. Sogar jetzt, in den Tagen des Krieges, war es ein gutes Alter für Dick, der bereits eine zu wertvolle Investition war, um an die Kanonen verfüttert zu werden. Jahre später schien es ihm, als wäre er auch hier in der Schweiz keineswegs unbeschadet davongekommen, aber darüber dachte er nie bis zum Ende nach   – im Jahre 1917 hingegen lachte er über die Vorstellung und sagte

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