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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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noch viel   – die Dächer lenkten das Auge zu Almen hinauf, wo Kuhglocken bimmelten und wo es noch höher hinaufging   – das Leben war eine Senkrechte, die zu einem Postkartenhimmel hinaufführte. Die Alpenländer, wo das mechanische Spielzeug, die Drahtseilbahn, das Karussell und das Glockenspiel herkamen, erlaubten kein bloßes
Hiersein
wie Frankreich, wo einem die Reben über die Füße wuchsen.
    In Salzburg hatte Dick gespürt, wie alles von einem vergangenen, längst kommerzialisierten Jahrhundert der Musik überlagert wurde; und als er in den Laboratorien der Universität Zürich behutsam in einer Großhirnrinde herumstocherte, war ihm plötzlich bewusst geworden, dass auch er nur noch ein Spielzeugmacher und nicht länger der Wirbelsturm war, der zwei Jahre zuvor durch die alten, roten Gebäude der Johns-Hopkins-Universität gefegt war, |183| ohne sich von der Ironie der in der Eingangshalle aufgestellten, gigantischen Christusfigur stoppen zu lassen.
    Dennoch hatte er beschlossen, weitere zwei Jahre in Zürich zu bleiben, denn er unterschätzte den Wert des Spielzeugmachens mit seiner unendlichen Geduld und Genauigkeit nicht.
    Heute war er zu Dohmlers Klinik am Zürichsee hinausgefahren, um Franz Gregorovius zu besuchen. Franz, ein geborener Waadtländer, angehender Facharzt für Psychopathologie an der Klinik und ein paar Jahre älter als Dick, holte ihn an der Straßenbahn ab. Er war vom düsteren Glanz eines Cagliostro umgeben, der im Gegensatz zu seinem frommen Blick stand; er war schon der dritte Gregorovius   – sein Großvater hatte Kraepelin unterrichtet, als die Psychiatrie aus der Dunkelheit der Geschichte trat. Er war stolz und hitzig, aber auch ein ziemliches Schaf   – und hielt sich für einen großen Hypnotiseur. Wenn das ursprüngliche Genie der Familie vielleicht auch ein bisschen müde geworden sein mochte, würde Franz doch ein guter Klinikarzt werden.
    Auf dem Weg zur Klinik bat er: »Erzähl mir von deinen Kriegserlebnissen! Hast du dich auch so verändert wie die anderen? Du hast genau dasselbe dumme, alterslose Gesicht wie alle Amerikaner, aber ich weiß ja, dass du nicht dumm bist.«
    »Vom Krieg hab ich gar nichts gesehen   – das musst du doch meinen Briefen entnommen haben, Franz.«
    »Darauf kommt’s auch nicht an   – wir haben hier Schützengrabenneurosen bei Leuten, die bloß mal einen Bombenalarm aus der Entfernung gehört haben. Manche haben sogar nur in der Zeitung davon gelesen.«
    »Das klingt ziemlich unsinnig.«
    |184| »Das ist es wahrscheinlich auch, Dick. Aber wir sind eine Klinik für reiche Leute   – das Wort,Unsinn’ gibt es bei uns nicht. Mal ehrlich, bist du hergekommen, um mich zu besuchen oder   – das Mädchen?«
    Sie sahen sich von der Seite her an, und Franz lächelte verschmitzt. »Die ersten Briefe habe ich natürlich alle gelesen«, sagte er mit seiner offiziellen Bass-Stimme. »Aber als die Veränderung kam, hat die Diskretion mich gehindert, die Briefe weiter zu öffnen. Es war ja gewissermaßen dein Fall geworden.«
    »Heißt das, es geht ihr gut?«, fragte Richard.
    »Vollkommen, ich bin der behandelnde Arzt, genauer gesagt, ich bin für fast alle englischen und amerikanischen Patienten verantwortlich. Sie nennen mich ›Doctor Gregory‹.«
    »Ich glaube, ich muss da etwas klarstellen«, sagte Richard. »Ich habe das Mädchen nur einmal gesehen, das ist eine Tatsache. Das war, als ich mich von dir verabschiedet habe, bevor ich nach Frankreich musste. Ich hatte zum ersten Mal meine Uniform an, und ich fühlte mich wie ein Betrüger darin   – ich habe Gefreite gegrüßt und so weiter.«
    »Und warum trägst du sie heute nicht?«
    »Hey! Ich bin seit drei Wochen entlassen. Jetzt erzähle ich dir mal, wie ich das Mädchen getroffen habe. Als wir uns verabschiedet hatten, bin ich zu diesem Gebäude am See hinuntergegangen, um da mein Fahrrad zu holen.«
    »–   du meinst das ›Tannenhaus‹?«
    »–   es war ein herrlicher Abend. Du weißt schon, der Mond stand über dem Berg   –«
    »–   über der Kreuzegg.«
    »–   ich bin an einer Krankenschwester vorbeigekommen, die mit einem jungen Mädchen unterwegs war. Ich dachte |185| gar nicht, dass das Mädchen eine Patientin wäre. Ich habe die Schwester nach den Abfahrtzeiten der Straßenbahn gefragt und wir sind ein Stück weit zusammen gegangen. Das Mädchen war wirklich ein bildhübsches Ding.«
    »Das ist sie immer noch.«
    »Sie hatte noch nie einen Amerikaner in

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