Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
verstanden?«, fragte die Göttin. »Hast du eben gesagt, dass ihr zweiundzwanzig meiner Seelenwächter verloren habt?«
»Ja.«
Sie stand auf und schlenderte durch den Raum auf Brian und Emily zu. »Du bist mir etwas schuldig, Wächter.«
Brian schob sich rasch zwischen die Herrin des Todes und das Mädchen. »Ich bin Euch gar nichts schuldig. Ihr wart einverstanden, uns beim Schutz der Reliquien zu unterstützen, und heute Nacht gab es dabei leider einige Todesopfer.«
Die Herrin des Todes starrte Emily kalt an, dann lächelte sie Brian zu. »Obwohl es mich durchaus stört, wie nonchalant du über meine Verluste hinweggehst, rede ich nicht von dem Trauerspiel letzte Nacht. Ich rede von unserer Vereinbarung, Webster. Ich glaube, dass du etwas hast, das du mir geben willst.«
»Nein, da seid Ihr im Irrtum.«
Sie lachte. »Willst du es etwa leugnen? Erinnerst du dich nicht mehr, worum du gefeilscht hast? Um die Seele von Lena Sharpe. Soll ich sie wieder zurücknehmen?«
Emily war verblüfft. Sie spürte die Wut in Brians Körper – in den harten, angespannten Muskeln, dem heftigen Hämmern des Herzens –, doch äußerlich wirkte er entspannt und unbeeindruckt.
»Ich habe nicht um Lenas Seele gefeilscht«, widersprach er. »Ich wollte nur wissen, wo sie sich aufhielt. Und den Preis dafür hatten wir ausgehandelt. Ihr habt weitere fünfhundert Jahre Anspruch auf meine Dienste. Das ist alles.«
Die Herrin des Todes verzog das Gesicht. »Ach, mach doch nicht solch ein Theater darum. Gib mir einfach die Scherbe, und wir sind quitt.«
»Ich habe sie nicht.«
Ihr Blick kehrte zu Emily zurück. Hundert Prozent coole Gehässigkeit. »Aber die Göre hat sie. Sag ihr, dass sie sie mir geben soll.«
Emily drückte Brians Arm, zum Zeichen, dass er nicht darauf antworten sollte. Er konnte es sich nicht leisten, die Herrin des Todes zu verärgern – er arbeitete für sie. Sie hingegen hatte dieses Problem nicht.
»Tut mir leid«, sagte sie ironisch. »Aber daraus wird nichts. Die
Göre
hat ihren eigenen Kopf, und sie ist nicht daran interessiert, einem egoistischen, machthungrigen Biest wie Ihnen einen Gefallen zu tun. Verschwinden Sie!«
»Gib sie mir, oder ich werde Webster für deine Unverschämtheit bestrafen.«
Sorge krampfte sich zu einem Knoten in Emilys Magen zusammen, doch sie ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. »Welche Abmachung Sie auch immer mit Brian getroffen haben – das ist eine Sache zwischen Ihnen und ihm. Die Scherbe gehört mir, und ich werde sie behalten. So einfach ist das.«
Die Augen der Herrin des Todes verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Gar nichts ist so einfach. Und du wirst diese Entscheidung bereuen, Emily Lewis. Darauf kannst du dich verlassen.«
Etwas Dunkles brannte tief drunten in den Augen der Göttin – etwas, das Emily einen Schauer über den Rücken jagte. Aber der Herrin des Todes eine Waffe wie den Zerbrochenen Glorienschein auszuhändigen wäre ein Fehler gewesen. Daran gab es gar keinen Zweifel. Sie hätte nicht gezögert, sich selbst über Uriel und Michael hinwegzusetzen, um zu bekommen, was sie wollte.
Emily schob die Hand in die Hosentaschen und umklammerte die Scherbe mit festem Griff. »Wenn Sie meinen Freunden etwas antun, werden
Sie
es bereuen, nicht ich.«
Die Herrin des Todes lächelte. Dann hob sie die Hand und löste sich sang- und klanglos in Luft auf.
Kiyoko zog Murdoch in sein Zimmer und schloss die Tür.
»Ist dies wirklich der beste Ort für die Nacht?«, fragte er, während er sich umschaute.
Überall, auf dem Boden, an der Decke und den Wänden fanden sich Brandflecken. Der Sessel am Fenster lag noch immer auf der Seite. Zahlreiche, nicht näher identifizierbare schleimige Kleckse waren auf den Dielen und auf dem Farbdruck über dem Kamin verteilt. Die Matratze hing halb auf dem Bettgestell und halb auf dem Boden.
»Wir können auch in den Unterkünften schlafen.«
Er seufzte. »Lieber nicht. Lafleur und Jensen sind noch immer damit beschäftigt, die Toten fortzuschaffen.«
Sie schlang die Arme um seine Taille. Das hatte sie bisher nur in ihren Träumen tun können. Seine Rückenmuskeln waren so warm und fest, wie sie es sich vorgestellt hatte. »Mir gefällt Brians Idee, eine Zeremonie abzuhalten, um ihrer zu gedenken. Das ist mehr als angemessen.«
»Aye, ab und zu hat auch er mal eine gute Idee.«
Sie legte den Kopf zurück und sah ihm in die Augen. »Brian scheint ein guter Anführer zu sein, und ohne Frage ist er ein
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