Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
sie zögern. Es war ein Ton, der eine Armee Soldaten in die Schlacht schicken konnte. Er ließ keine Diskussion zu, keine Hoffnung auf Rückzug und keine Frage außer der, ob er seiner Forderung Nachdruck verleihen würde. Und überraschenderweise ärgerte sie sich nicht darüber.
Sie setzte sich wieder.
»Welche Erwartung habe ich nicht erfüllt?«, fragte er.
»Du willst dich immer noch nicht damit abfinden, dass
du
der Berserker bist.«
Er schwieg eine Weile nachdenklich. »Du glaubst, dass ich mein Interesse an dir dem Berserker zuschreibe.«
»Stimmt das etwa nicht?«
»Nein.«
»Murdoch, sei ehrlich! In deiner Vorstellung bist du der ruhige, rationale Krieger, der sich etwas auf seine Selbstbeherrschung einbildet. Und allein der Berserker ist verantwortlich für all die leidenschaftlichen, unbändigen Dinge, die du tust und fühlst und sagst.«
»Nicht für alle.«
»Dann eben für die meisten. Das spielt keine Rolle. Die Sache ist doch die: Wenn der Berserker nicht wäre, hättest du dich schon längst einer anderen Frau zugewandt.«
»Das ist nicht wahr.«
»Entschuldige, wenn ich anderer Meinung bin.«
»Mädchen, du musst mir schon ein bisschen glauben.« Ein angedeutetes Lächeln ließ die Konturen seines Gesichts weniger hart erscheinen. »Erstens, während ich hier liege – ein bisschen schwindelig von deinem Parfum und ein paar Tagträumen darüber, wie ich mich deinen Bauch hinunterküsse –, ist weit und breit kein Berserker in Sicht. Nur ich bin hier. Zweitens kommt kein Berserker – und übrigens auch keine andere Frau – in meinen Träumen vor. Nur du.«
Kiyoko schmolz ein wenig dahin.
War es denn so falsch, sich wegen einiger heißblütiger Worte anders zu besinnen? Wegen Murdochs schamloser Art zuzugeben, dass ihm ihre Anwesenheit zu Kopfe stieg? Er hatte eine Reihe von Schwächen, aber mangelndes Selbstbewusstsein zählte nicht dazu.
Und das gefiel ihr.
Sehr sogar.
»Du brauchst nicht zu zweifeln«, fügte er hinzu. »
Ich
will dich. So sehr, dass ich es kaum beschreiben kann. Ich habe es schon einmal gesagt, aber es schreit nach Wiederholung: Wäre dieser verdammte Berserker nicht, dann würde ich mich jetzt sofort auf dich stürzen. Ich würde dir den Atem rauben, jeden faszinierenden Winkel deines Körpers erkunden und dich zur Raserei bringen, wie es mir gefällt, ohne jede Gnade. Ich würde dich Sternchen sehen lasen. Mich. Nicht meinen dämlichen Berserker. Kapiert?«
»Kapiert«, entgegnete sie heiser. Ihr Körper stand in Flammen. Sie hatte sich noch nie so sehr gewünscht, in jemanden hineinzukriechen, wie sie genau in diesem Augenblick ein Teil von Murdoch und seinen lebhaften Phantasien sein wollte. »Vielleicht sollten wir ein Nickerchen machen.«
Er stöhnte auf. »Gott, wenn ich Emily nicht versprochen hätte, mit ihr in die Stadt zu fahren, würde ich dich beim Wort nehmen. Du hast einen bei mir gut.«
Einen.
Einen Orgasmus.
Kiyoko wurde rot. »Ich schlage vor, wir gehen zurück zum Haus.«
Seine Hand glitt über ihre Hüfte, warm, stark und beruhigend. Sie hielt inne. »Mädchen, ich werde eine Lösung finden, das schwöre ich dir. Für den Schleier, den Berserker, das ganze verfluchte Durcheinander. Ich
werde
eine Lösung finden.«
Auch wenn sie etwas angestaubt war, verschlug seine Ritterlichkeit ihr doch den Atem. Aber während ihr Herz flatterte, rumorten auch Schuldgefühle in ihrem Bauch. Er war offen und ehrlich gewesen, und nun bot er an, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um ihr zu helfen. Sie dagegen hatte ihm bisher keinen vergleichbaren Gefallen erwiesen.
Er verdiente es, die Wahrheit zu erfahren. Er verdiente es zu erfahren, wie sie ihn zu benutzen gedachte. Herrin des Todes hin oder her.
»Eigentlich habe ich schon eine Lösung«, sagte sie. »Aber sie wird dir nicht gefallen.«
Obwohl ihn Kiyokos Beharren darauf, sich mit Murdoch zu treffen, zur Weißglut gebracht hatte, zeigte Asasel seine kochende Wut nicht. Es war von größter Wichtigkeit, sie weiter über die Prophezeiung auszufragen. Anstatt ihr zu gestatten zu frühstücken, hätte er sie in sein Zimmer zerren sollen. Er aß langsam das widerlich süße Zimtbrötchen, nicht ohne das professionelle Gebaren und die unerschütterliche Ruhe an den Tag zu legen, auf die sich Ryuji Watanabe so viel zugutehielt.
Oder gehalten hatte. Bis zum Ende.
Nein, das Ende war
inklusive
gewesen. Der Mann war sogar ruhig gestorben. Hatte nicht ein einziges Mal um sein Leben gebettelt.
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