Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
hast«, ermunterte er sie lächelnd. »Ich bin schon ganz neugierig.«
Kiyoko stellte den Becher ab.
Sein Lächeln war tödlich.
In Kombination mit der offenkundigen Zuneigung, die nie seine Augen zu verlassen schien, wäre sie dem selbstironischen Schwung dieser sinnlichen Lippen beinahe erlegen. Die träge Pose seines Körpers half da nur wenig. Breite Schultern, schmale Hüften und lange, starke Beine. Er war ein Traum von einem Mann und der Traum jeder Frau. Ihre Haut reagierte mit Erregung, Gänsehaut breitete sich in verschiedene Richtungen aus. Es war nur zu leicht, sich auszumalen, wie es wäre, sich in seine Arme zu werfen und ganz in seinen lässigen Charme und seine unerschütterliche Kraft einzutauchen.
Zum Glück hatte ihr Kopf auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Sie strich mit den Fingern über die weiche Wolle der Decke anstatt über seine Wange. Folgte dem Karomuster, anstatt kopfüber in den Wellen seines Haars zu versinken.
»Welchen Vorteil hättest du davon, wenn du ihn siehst?«, fragte sie.
»Nennen wir es eine Übung in Vertrauen.«
»Kann ich wirklich darauf vertrauen, dass du ihn mir nicht stiehlst?«
Er hob eine Augenbraue. »Du bist doch schon davon überzeugt, dass ich ihn dir nicht stehle. Sonst hättest du nie eingewilligt, mit mir allein zu sein. Wir beide wissen, dass ich ihn dir jetzt wegnehmen könnte, ohne dass ich mich sonderlich anstrengen müsste.«
Ihr den Schleier wegzunehmen wäre schwieriger gewesen, als er dachte, aber im Grunde hatte er recht. Sie vertraute tatsächlich darauf, dass er ihn ihr nicht stehlen würde. »Aber ich weiß immer noch nicht, was du dir davon versprichst.«
»Nichts.«
Sie seufzte. »Nun stell dich nicht so an.«
»Ich hätte nichts davon – aber du. Wenn du mir den Schleier zeigst, teilst du mir nicht nur mit, wo er sich befindet. Du teilst auch die Last, ihn schützen zu müssen.«
»Mit einem Mann, der achttausend Kilometer weit weg lebt. Wozu sollte das gut sein?«
Er nahm eine dunkle Locke ihres Haars in die Hand und rieb sie zwischen seinen Fingern, offensichtlich fasziniert. »Ich bin doch gar keine achttausend Kilometer weit weg.«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich.
Nein, zweifellos war er keine achttausend Kilometer weit weg. Eher zehn Zentimeter. Wenn sie sich nur ein wenig vorbeugte, würde seine Hand ihre Brust berühren. Ihre ungeduldig wartende Brust.
»Ich gestehe«, sagte er, und das Poltern seines Akzents war nun heiserer als sonst, »seit ich dich kenne, gehe ich lieber schlafen als jemals zuvor. Meine Träume sind so verflucht unglaublich, dass ich mit einem Stechen in der Brust aufwache.«
Kiyoko schluckte hart.
»Im Traum kann ich dich einfach so berühren, genauso küssen, wie ich es will, dich befriedigen, bis du schreist und um Gnade bettelst, und es gibt keine Konsequenzen. Das genügt, um mich um ein Koma beten zu lassen.«
»Das ist alles nicht real«, sagte sie leise.
Er hob den Blick, bis er ihrem begegnete. Heiß, dunkel und voller glühender Verheißung. »Da bin ich mir nicht so sicher. Mein Berserker hält es für real.«
Enttäuschung stieg in Kiyoko auf.
Wieder schob er alles auf den Berserker, statt sein Verlangen als sein eigenes zu akzeptieren. Beweis genug, wenn sie überhaupt noch einen brauchte, dass es nur mit Herzeleid enden konnte, wenn sie irgendeine Art Beziehung zu Murdoch aufnahm. Sie befreite ihr Haar aus seiner Hand. Dann hob sie den Saum ihrer
kend
o
ˉgi-
Jacke, um ihm den schwarzen Stoffgürtel zu zeigen, der um ihre Taille gewickelt war.
»Das ist der Schleier.«
Er hielt ihrem Blick einen Moment lang stirnrunzelnd stand. Dann wanderte sein Blick nach unten. »Der schwarze Gürtel ist der Schleier? Du trägst ihn oft so, dass man ihn gut sehen kann.«
»Ja.«
»Ziemlich frech von dir.«
Sie zuckte die Achseln. »Die Leute sehen oft über das hinweg, was sich direkt vor ihrer Nase befindet.«
Die Falten in seiner Stirn vertieften sich. »Bist du böse auf mich?«
»Nein. Ich erwarte einfach zu viel.«
»Von mir?« Er erstarrte. »Und ich enttäusche dich?«
»Du bist, wer du bist. Dass ich mehr erwarte, ist nicht deine Schwäche, Murdoch. Es ist meine.«
Er lächelte grimmig. »Aha, die alte ›Es ist nicht deine Schuld, es ist meine‹-Leier. Erzähl mal. Auf welchen Teil von mir bist du denn sauer?
»Wir sollten zurückgehen.«
Als sie auf die Knie kam, sagte er: »Nein, zum Henker, das sollten wir nicht! Setz dich wieder.«
Sein kühler Befehlston ließ
Weitere Kostenlose Bücher