Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
sich auf dem abgenutzten alten Sofa von Großtante Mary schlafen gelegt hatte, fiel ihr erst jetzt wieder ein.
Wie an den drei vorigen Abenden hatte sie die Erkenntnis, dass sie ohne Charlie ganz allein in dem großen Haus war, wie ein Schlag getroffen. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, sich in ihr Bett zu legen, von dem aus sie das unbenutzte Bett ihres Sohnes mit der niedlichen Paddington-Bettwäsche sehen konnte. Und die leeren Zimmer im oberen Stockwerk waren ihr unheimlich.
Das Feuer, das sie gemacht hatte, glühte nur noch ein wenig, sodass es in dem großen vornehmen Zimmer nun sehr kalt war. Sophia konnte sogar ihren Atem sehen.
In dem schrecklichen Albtraum war sie barfuß durch einen unheimlichen Wald gerannt, auf der Flucht vor Tom, der sie verfolgt und dabei mit den schlimmsten Drohungen überhäuft hatte. Irgendwann war Sophias Wut darüber, dass er sie noch immer quälte, so groß gewesen, dass sie mutig innegehalten und sich zu ihm umgedreht hatte. Und dann hatte sie festgestellt, dass gar nicht ihr verstorbener Exmann sie verfolgte, sondern dessen Vater …
Bei der Erinnerung wurde Sophias Mund trocken, und sie schauderte. Schnell griff sie nach dem Glas Wasser, das sie sich bereitgestellt hatte. Noch bevor sie es ausgetrunken hatte, liefen ihr die Tränen übers Gesicht.
Sie hatte sich nicht einmal ausgezogen, sondern trug noch immer das blaue Wickelkleid, das sie für das Treffen mit Jarrett ausgewählt hatte. Energisch trocknete sie sich die Tränen.
Sie sehnte sich so sehr nach ihm, dass sie es kaum aushielt. Bei der Erinnerung daran, wie einfühlsam und liebevoll er gewesen war, wurde ihr warm, und sie konnte den schrecklichen Albtraum abschütteln. Sie sah Jarretts markante Züge und die tiefblauen Augen vor sich, hörte seine sinnliche Stimme – und wünschte sehnlichst, er wäre in diesem Moment bei ihr. Jarrett war der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war, doch am meisten schätzte sie sein vorbehaltloses Wohlwollen. Er schien alle positiven männlichen Eigenschaften auf sich zu vereinen, während ihr verstorbener Exmann alle schlechten verkörpert hatte.
Sophia bereute es, Jarrett nicht doch auf einen Kaffee hereingebeten zu haben, sondern allein in dieses große leere Haus zu gehen. Doch nachdem sie ihm von ihrer Ehe erzählt hatte, war sie sehr aufgewühlt gewesen und hatte befürchtet, zu viel von sich preisgegeben zu haben. Weil er nun fast alle grauenhaften Details kannte, hatte sie sich sehr verletzlich gefühlt – und befürchtet, er könne sie verurteilen. Obwohl er nichts dergleichen gesagt hatte, war sie von dem Wunsch erfüllt gewesen, eine Weile auf Distanz zu gehen. Hätte sie diesem Impuls nicht so schnell nachgegeben, wäre Jarrett vielleicht noch hier …
Ohne sich auszuziehen, hatte Jarrett sich aufs Bett gelegt und angestrengt über den Abend mit Sophia nachgedacht.
Es hatte ihn glücklich gemacht, mit wie viel Appetit sie gegessen hatte. Wie oft hatte sie in der Vergangenheit ihr Essen wohl kaum angerührt, voller Angst, dass ihr bösartiger Mann seine Drohungen wahr machte? Bei diesem Gedanken ballte Jarrett aufgebracht die Hände zu Fäusten.
Natürlich faszinierte Sophias Schönheit ihn, doch es gab noch so viele andere Dinge, die er an ihr bewunderte – zum Beispiel ihre Fähigkeit, auch in größter Not Mut zu beweisen und die Hoffnung nicht aufzugeben. Auch jetzt wieder, wenn sie ohne ihren kleinen Sohn allein auf High Ridge Hall ausharrte.
Jarrett fluchte, denn er wusste, dass dieser Gedanke ihm den Schlaf rauben würde. Er stand auf und entkleidete sich. Nachdem er sich wieder ins Bett gelegt hatte, zog er sich die Bettdecke über den Kopf, damit kein Licht zu ihm durchdrang. Inständig hoffte er, bald einzuschlafen, damit nicht immer wieder die verführerischen Bilder von Sophia vor seinem inneren Auge erschienen und ihn quälten …
Jarrett, bitte wach auf. Ich brauche dich!
Er hatte noch Sophias flehende Stimme im Ohr, als er aus einem tiefen traumlosen Schlaf hochschrak. Mit klopfendem Herzen drehte Jarrett sich zur Seite, zu Sophia – doch natürlich war der Platz im Bett neben ihm leer. Er griff nach der Nachttischlampe und hätte diese beim Einschalten fast umgeworfen. Als sich das Licht im Zimmer ausbreitete, setzte er sich auf und rieb sich verschlafen die Augen.
Sophias Stimme hatte so echt geklungen – und, was noch schlimmer war, angstvoll und verzweifelt. War etwas passiert? Ich brauche dich, hatte sie gerufen.
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