Zärtlichkeit des Lebens
Sie jetzt die restliche Führung für Miß Lancaster.«
Dies war die erste Bemerkung, die Haladay an Evan richtete.
»Kommen Sie mit mir hinauf, Byron.« Ohne auf Zustimmung oder ein Auf Wiedersehen zu warten, drehte er sich um und ging zum Aufzug zurück.
»Melden Sie sich morgen früh bei Cassidy«, wandte sich Byron an Sarah. »Und schauen Sie am besten noch in der Personalabteilung vorbei, ehe Sie heute das Haus verlassen.«
»In Ordnung.« Sarah nickte. »Mache ich.«
»Wenn es irgendwelche Probleme geben sollte, lassen Sie es mich wissen.« Dann drehte er sich um und ging durch die Halle, um sich Haladay anzuschließen. Die Aufzugtüren schlossen sich mit einem leisen Klicken. In der Kabine wechselten die Männer einen Blick, ehe Byron den Knopf für den fünfzigstens Stock drückte. Sie sprachen kein Wort.
Ein imposanter Mensch, dachte Sarah. Zwei imposante Menschen, verbesserte sie sich. Während sie sich eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr strich, wandte sie sich wieder an Evan. »Sagen Sie, Evan, ist Mr. Haladay immer so?«
»Immer. Er ändert sich nicht.«
Sarah erwiderte nichts. Sie dachte an die Alterszeichen in Haladays Gesicht, und in ihr stieg eine schnelle Woge des Bedauerns hoch.
Zeit.
Trotz all seiner Macht, all seines Geldes, seiner Vitalität konnte auch er der Zeit kein Schnippchen schlagen. Dann schüttelte sie dieses Gefühl ab und rief sich in Erinnerung, daß sie vor allem seine Stärke und Macht wahrgenommen hatte. Im Augenblick wollte sie glauben, daß Maxwell Haladay und alles, was er verkörperte, unzerstörbar waren.
Evan griff nach ihren Fingerspitzen.
»Hoffentlich hatten Sie nichts Wichtiges zu tun. Wie es scheint, hat man mich Ihnen einfach aufgehalst«, sagte sie.
»Ich habe ein Leben lang darauf gewartet, daß man mir so eine reizende Person aufhalst.«
Sie entzog ihm ihre Hand. »Wenn dem so ist, haben Sie sicher nichts dagegen, mir mein Büro zu zeigen.« Sie wechselte ihre Handtasche in die andere Hand und schaute sich um. »Und danach könnten wir uns vielleicht ernsthaft über den Hamburger unterhalten.«
Folgsam geleitete Evan sie durch die Halle. Er begann zu spekulieren, wie lange er wohl brauchen würde, sie ins Bett zu bekommen. Sarah hingegen sinnierte darüber nach, wie lange es wohl dauern würde, bis sie ihren ersten großen Auftrag bekam.
Die nächsten Tage machte sich Sarah mit dem Arbeitsalltag von Haladays Architekturabteilung vertraut. Während dieser Zeit bekam sie Maxwell Haladay gar nicht und Byron nur selten zu Gesicht. Den größten Teil ihrer Arbeitszeit verbrachte sie mit Cassidy oder Evan Gibson. Sie fand Cassidy freundlich, aber gleichzeitig fordernd und launisch. Die Worte ›von neun bis fünf‹ waren für ihn Fremdwörter und die Mittagspause ein Luxus, auf den man verzichten konnte, wenn ein Projekt die ungeteilte Aufmerksamkeit verlangte. Als er aufhörte, Sarah als ein weibliches Wesen zu behandeln, wofür er etwa eineinhalb Tage brauchte, ließ er die Zügel, die er sowohl seiner Redeweise als auch seinen Launen angelegt hatte, locker. Sarah mochte sein einfallsreiches Gefluche, genoß die Schärfe seiner Launen und war dankbar für seinen zwanglosen Stil. Er schaute immer gleich verknittert aus und roch ständig nach Tabak. Innerhalb einer Woche verehrte Sarah ihn nahezu. Zweifellos war er brillant.
Evan zu durchschauen bedurfte es nur kurzer Zeit. Er sah gut aus, war begabt und unzuverlässig. Die Frauen liefen ihm nach, und er widmete sich dem Spiel der Jagd und Eroberung ebenso hingebungsvoll wie andere Männer dem Golfsport. Sarah begriff sehr schnell, daß Evan alle Frauen als leichte Beute betrachtete.
Seine Einstellung hätte ihn ihr rechtschaffen unsympathisch erscheinen lassen, wenn er das nicht durch seine stets gute Laune wieder wettgemacht hätte.
Evan und Sarah teilten sich die Sekretärin, eine kleine Rothaarige mit einer verblüffenden Anzahl Sommersprossen und dem Gedächtnis eines ganzen Karteikastens. Sie hieß eigentlich Marguerite Jean Childress, wurde aber von Kindheit an Mugs genannt und erwies sich als tüchtig, verläßlich und ständig auf Ordnung bedacht. Ihr wildgekraustes Haar fiel ihr bis in die Augen; sie kaute Nägel und las in den Pausen Schundromane. Sarah hätte Mugs nicht gegen ein Dutzend Kays oder Mrs. Fitzwalters eingetauscht. Mit ihrer Hilfe hatte Sarah sich bald ein brauchbares Wissen des Ablagesystems, der Telefonanlage und der Unternehmensstrukturen angeeignet.
Sich an einem
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