Zärtlichkeit des Lebens
und verfügt über bezaubernd untadelige Manieren.
Wir waren zusammen im Maxim’s, im Udo und im Bois de
Boulogne. In seiner Gegenwart komme ich mir wie ein
verknallter Teenager vor. Soweit ich mich erinnere, habe ich
mich als Teenager nie so gefühlt. Er küßt mir die Hand und
schickt mir Blumen. Nie hat mich jemand so wie er behandelt,
und obwohl ich nicht genau weiß, ob ich je so behandelt werden
wollte, erscheint es mir jetzt ganz selbstverständlich. Ich habe
mich niemals als Romantikerin eingestuft, aber vielleicht lag ich
da falsch. Er vermittelt mir ein sehr romantisches Gefühl, was
mir ausgezeichnet gefällt.
Laß mich wissen, wie es Max geht und ob Cassidy ohne mich
zurechtkommt. Ich vermisse sie alle – und Mugs. Zu dumm, daß
sie Französisch kann – hier gibt es vielleicht Bücher,
unglaublich. Treibt Byron derzeit irgend etwas Interessantes?
Sag Mugs, sie soll mir ein Memo schicken.
Übrigens ist der Leiter der Beschaffungsabteilung hier
korpulent und fröhlich; er trägt einen Nikolaus-Bart. Natürlich
verabscheuen ihn alle. Liebe Grüße Sarah
Da er Sarahs Schrift erkannte, nahm Evan den Brief von Dallas’ Wohnzimmertisch. Bei der Lektüre runzelte er die Stirn.
Je hartnäckiger Sarah seine Annäherungsversuche abgewehrt hatte, um so entschlossener war er geworden, sie zu erobern. Er war wie besessen von ihr, und obwohl er wußte, daß dieses Beharren auf eine bestimmte Frau seiner sonstigen Art absolut nicht entsprach, konnte er damit nicht aufhören. Ihre Gleichgültigkeit stachelte seine Begierde nur noch an.
Als er Sarahs Anmerkungen zu Januel Bounnet las, stellte er sich die beiden zusammen vor. Er sah sie im Bett, Sarah nackt und bereitwillig, ihre schmalen Hüften bewegten sich fieberhaft, ihre zarte, bleiche Haut schimmerte feucht.
Dallas kam aus dem Schlafzimmer herein, sah Evan mit dem Brief in der Hand und erkannte die nackte Begierde auf seinem Gesicht. Eine plötzliche Anwandlung von Schmerz traf sie völlig überraschend. Seit Jahren hatte kein Mann sie mehr wirklich verletzt, weil sie sich in acht genommen hatte. Einen Moment stand sie stocksteif da und versuchte, ihre Empfindung zu ergründen. Nach der ersten Welle der Überraschung stieg Wut in ihr hoch.
»Liest sich gut, was?« fragte sie, während sie zu Evan hinging. Als er aufblickte, riß sie ihm den Brief aus der Hand.
»Nur weil ich mit dir schlafe, darfst du noch lange nicht in meiner Post rumschnüffeln.«
»Wenn du nicht willst, daß ich den Brief sehe, hättest du ihn verstecken müssen«, gab Evan kalt zurück. Er ging zur Bar und goß sich einen Gin ein. »Übrigens«, fuhr er fort, während er Tonicwasser hinzufügte, »hat uns ja schließlich Sarah zusammengebracht, oder?«
Dallas fingerte an dem Brief herum und sah ihm zu, wie er trank. »O ja, wir beide mögen Sarah unheimlich gern, nicht?«
»Aber sicher.« Evan schwenkte seinen Drink. »Warum zum Teufel auch nicht?«
Sie ist sechstausend Meilen weit weg, dachte Dallas zornig.
Sechstausend verdammte Meilen, und er geifert noch immer nach ihr. Abrupt wandte sie sich ab und ging durchs Zimmer, wobei sie sich Sarahs Brief gegen den Handrücken schlug.
Verdammt noch mal, warum sage ich ihm nicht, daß er seinen Krempel nehmen und abhauen soll? Sie fuhr sich mit einer Hand durch die Locken. Weil ich süchtig nach ihm bin. Himmel, ich habe die Angel ausgeworfen, und jetzt hänge ich am Haken.
Hast mich ja gewarnt, nicht wahr, Sarah? Dallas schaute auf Sarahs energische Schriftzüge. Einen Moment war sie versucht, das Papier zu zerknüllen und Sarah zum Teufel zu wünschen, weil sie recht gehabt hatte, weil Evan aus irgendeinem Grund Sarah so verzweifelt begehrte. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht erkannt, wie bedingungslos sie sich auf ihn eingelassen hatte. Seit Wochen hatte sie mit keinem anderen Mann mehr geschlafen. Obgleich sie sich vor Jahren geschworen hatte, es nicht mehr zu tun, tat sie jetzt genau das: Sie richtete ihr Leben, ihre Gefühle auf einen Mann aus.
Evan musterte Dallas, die im Zimmer auf und ab ging. Sie hatten sich die vergangenen Wochen gut miteinander amüsiert, dachte er. Sie war lustig, unglaublich abwechslungsreich und obendrein verrückt nach ihm. Er war sich lange vor ihr bewußt geworden, wie sehr sie sich auf ihn eingelassen hatte. Dennoch wollte er sie nicht verlieren. Aber jetzt erkannte er, daß er von nun an geschickter sein mußte. Schließlich bildete sie noch immer sein Bindeglied zu Sarah.
»Na, du bist
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