Zärtlichkeit des Lebens
Baustellentrupp gut zurechtkommt. Springer meckert nicht über Sie. Und das würde er, wenn Sie ihm dazu Anlaß gegeben hätten.« Er hielt inne und zündete sich eine Zigarette an. »Außerdem will ich auch ein unverbrauchtes Gesicht, jemand vergleichsweise Unbekannten.
Und der Presse wird die Tatsache gefallen, daß Sie eine junge, schöne Frau sind.«
»Mist«, sagte Sarah leise. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab.
»So was mag ich gar nicht.« Sie legte die Handflächen aufeinander und preßte sie für eine Sekunde fest zusammen.
»Das ist mir echt zuwider.« Schnell wirbelte sie zu ihm herum, und er sah Ärger in ihren Augen aufblitzen. »Aber das gehört nun mal zu dem Spiel, nicht wahr? Irgendwo ist immer ein Haken dabei.«
»Im Berufsleben müssen Sie den Haken schlucken, Sarah, oder Sie gehen unter. Jeden Vorteil sollten Sie nutzen. Man wird leicht aufgefressen in unserem Metier, wenn man einen falschen Zug macht.«
Sie sah die Rücksichtslosigkeit, das Berechnende. Vor Monaten schon hatte sie Byrons Macht erkannt; jetzt wurde sie sich bewußt, daß er seine Macht niemals kampflos aufgeben würde. »Sie kennen sich da besser aus als ich«, meinte sie bitter.
»Ich muß das erst noch lernen.« Sie trat an den Sessel und nahm ihren Hut. Mit ruhiger Stimme und gelassenem Gesichtsausdruck wandte sie sich ihm wieder zu. »Ich werde das Kulturzentrum bauen, Byron, und es wird großartig werden.
Wenn die Tatsache, daß ich eine Frau bin, einen strategischen Vorteil bedeutet, um so besser. Eines kann ich Ihnen versprechen – Sie werden es nie bedauern, daß Sie mich damit beauftragt haben.«
11
Sarah gefiel ihr Pariser Büro. Es war L-förmig, hatte Fenster mit geteilten Scheiben, Seidentapeten und einen antiken Schreibtisch aus Pecanholz. Auf dem Fußboden lag ein riesiger, edel verblaßter Aubusson-Teppich. Den unteren Teil des ›L‹ bildete eine Sitzecke mit Sofa, Sesseln und Beistelltischen. Auf einem stand eine Silberschale mit Pralinen, die Sarahs Sekretärin regelmäßig auffüllte.
Madame Fountblanc, eine matronenhafte Frau mit breiten Hüften, trug ein Haarnetz über ihrem Knoten und sprach perfekt Englisch. Sarah fühlte sich gut aufgehoben bei ihr und gewöhnte sich schnell daran, daß sie jeden Vormittag um elf Uhr heiße Schokolade und Gebäck servierte.
Bald hatte Sarah auch entdeckt, daß die Franzosen sich im Geschäftsleben sehr formell und angenehm höflich verhielten.
Überdies wurde ihr klar, daß sie nüchtern, zäh und geldgierig waren. Während ihres ersten Monats in Paris schienen die Besprechungen kein Ende zu nehmen. Sarah verbrachte Stunden mit der Gruppe von Geschäftsleuten, die Gelder in das Kulturzentrum investierten, und noch mehr Zeit mit Raumordnungs- und Sicherheitsbeamten, Ingenieuren, Technikern, Mitarbeitern der Public-Relation-Abteilung, den stellvertretenden Leitern der Marketing- und Bauabteilung.
Dann mußten stapelweise Berichte gelesen und geschrieben werden. Zähneknirschend meisterte Sarah Strategien und Protokoll. Zwar wehrte sich die Künstlerin in ihr gegen die Routineaufgaben und den endlosen Papierkram, ihr Ehrgeiz jedoch trieb sie dazu, das alles zu meistern.
Andre Ceseare, ein kleiner Mann in den Fünfzigern mit gerötetem Teint, flinken schwarzen Augen und zurückgekämmten graumelierten Haaren, stand dem Planungsausschuß für das Delacroix-Kulturzentrum vor. Von seinem schnellen Witz hatte sich Sarah sogleich angezogen gefühlt. Sein Englisch war nicht eben berauschend, doch obwohl Sarah überdurchschnittlich gut Französisch sprach, bestand er darauf, Englisch zu reden; und tat das überschwänglich mit den Händen. Weil sie sehr viel mit ihm persönlich zu tun hatte, fiel Sarah die Anpassung an das Leben in Frankreich und den ungewohnten Geschäftsstil ein wenig leichter.
Das einzige wichtige Mitglied der Pariser Niederlassung, das Sarah noch nicht kennengelernt hatte, war Januel Bounnet. Er leitete die Pariser Dependance von Haladay wie Dave Tyson die in Manhattan. Hier gab es keine Mugs, die sie über Bounnet hätte informieren können, und ihre eigenen Nachforschungen hatten lediglich das dürftige Bild eines siebenunddreißig Jahre alten, seit zehn Jahren geschiedenen Mannes ergeben. Seit fünfzehn Jahren arbeitete er für Haladay Enterprises, war drei Jahre der Assistent des Niederlassungsleiters gewesen und nahm nun seit fünf Jahren selber diese Position ein. Weil Sarah in Bounnets Biographie nichts entdecken konnte, das ihn hätte
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