Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
vielleicht nie wieder zurückkehren würde. Jetzt wurde ihr klar, dass sie das die ganze Zeit über im Unterbewusstein vorgehabt hatte; Becky hatte es ebenfalls geahnt. Deshalb hatte sie so verzweifelt versucht, sie zum Bleiben zu überreden.
Lucy hielt die Laterne hoch. »Jetzt alles in Ordnung?«, fragte sie und lächelte wieder.
Emmeline nickte und folgte ihr ins Haus.
Es war mitten in der Nacht, und Emmeline lag mit all ihrer Kleidung, einschließlich Hut und Schuhen, auf diesem zweifelhaften Bett und döste nur ein bisschen, als es donnernd an ihre Zimmertür klopfte. Diesmal war es nicht Lucy, die sie besuchte, das wusste sie sofort.
Sie stürzte aus dem Bett und eilte zur Tür, wo sie nicht nur den Riegel vorgeschoben, sondern auch den Stuhl unter den Türknauf gestellt hatte, wie Lucy ihr geraten hatte. Abermals wünschte sie sich Beckys Derringer. Wenn sie eine Pistole gehabt hätte, dann hätte sie vielleicht direkt durch die Tür geschossen, ohne Fragen zu stellen.
»Verschwinde!«, rief sie. »Ich habe eine Waffe!«
»Ich verschwinde nirgendwohin!«, gab Rafe zurück. War das tatsächlich seine Stimme? Oder träumte sie? »Verdammt, Emmeline, lass mich rein!«
Eine Woge freudigen Ärgers belebte sie. »Du bist es!«, entfuhr es ihr. Sie stieß den Stuhl zur Seite, schob den Riegel zurück und riss die Tür so heftig auf, dass sie gegen die Wand prallte. Dann warf sie sich in Rafes Arme. »Gott sei Dank, du bist gekommen, Rafe! Gott sei Dank!«
Er hielt sie von sich, aber nicht weit. Seine blauen Augen forschten in ihrem Gesicht. »Du freust dich, mich zu sehen?«
Sie dachte darüber nach. »Ja«, bekannte sie. »Ja, ich freue mich.«
»Du wirst nicht nach San Francisco reisen und dort mein Baby bekommen«, erklärte er. »Und das ist mein letztes Wort!«
Sie zog ihn ins Zimmer. »Wovon redest du?«, wollte sie flüsternd wissen. Jetzt, da sie sich von dem freudigen Schock erholte, Rafe mitten in der längsten und unglücklichsten Nacht ihres Lebens wiederzusehen, war ihr plötzlich wieder bewusst, dass es Lauscher geben konnte.
Rafe stand mit dem Rücken zur Tür. Er trug Arbeitskleidung, und er sah aus, als wäre er hinter einem Pferd hergeschleift worden, jedenfalls ein Stück des Weges. Er brauchte ein Bad und eine Rasur, doch er sah immer noch gut aus. »Ich habe mich geirrt«, murmelte er. »Ich habe mich in allem geirrt, Emmeline. Ich liebe dich, und ich will, dass du mit mir heimkommst. Mich heiratest, richtig und ordnungsgemäß.«
Emmeline starrte ihn an, und ihr Herz schlug schneller. Sie durfte sich jedoch keinen falschen Hoffnungen hingeben - wenn die Realität sie einholte, würde die Enttäuschung zu hart und der Sturz ins Bodenlose zu schmerzlich sein. Er hielt sie für schwanger. Deshalb gestand er ihr jetzt seine Liebe, nachdem er so lange Zeit geschwiegen hatte. »Du hast ein Kind erwähnt«, gab sie vorsichtig zurück. »Es gibt kein Baby, Rafe.«
»Das ist mir egal«, erwiderte er und wirkte so besorgt, dass es einfach der Wahrheit entsprechen musste. »Es ist mir auch egal, was in Kansas City passiert ist.«
»Nichts ist in Kansas City passiert«, begehrte sie heftig auf.
Er zog sie in seine Arme. »Ich liebe dich, Emmeline«, wiederholte er.
Sie zog sich zurück, und ihr Kopf wurde ein wenig klarer. »Und was ist mit der neuen Braut, die du bestellt hast?«, wollte sie wissen.
Sein Grinsen war jungenhaft. »Kade oder Jeb werden sie mir bestimmt abnehmen, wenn sie überhaupt auftaucht«, meinte er. »Emmeline, hast du gehört, was ich gesagt habe? Ich sagte, ich liebe dich.«
Sie schmiegte die Stirn an seine starke Schulter. »Und ich liebe dich«, gab sie zu. »Wider mein besseres Wissen, Rafe McKettrick, liebe ich dich.«
»Dann lass uns heimkehren, gleich, noch heute Nacht. Da gibt es etwas, was ich dir zeigen möchte.«
Sie lachte zu ihm auf, und Tränen der Freude schimmerten in ihren Augen. »Rafe«, entgegnete sie vernünftig, »wir können am Morgen aufbrechen.«
Sein Grinsen wurde zu einem strahlenden Lächeln. »Du hast deine Absicht, nach San Francisco zu reisen, also geändert?«
»Im Augenblick jedenfalls«, antwortete sie, zuckte mit den Schultern und lächelte schief. »Die Hotelmöbel können warten.«
Kapitel 1 9
A ls Ort hatte Rattlesnake Bend nicht viel Empfehlenswertes zu bieten, aber es gab eine Art Prediger. Rafe musste ihm einen Eimer kaltes Brunnenwasser über den Kopf schütten, um Reverend Horace P. Deever zu wecken, der betrunken
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