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Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Titel: Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Zahn
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Hinterhand hatte, sollte er ihn schleunigst ausspielen. »Wir sind schon unterwegs.«
    Ich schaltete das Fon aus und steckte es wieder in die Tasche. »Probleme?«, fragte Jennifer.
    »Ganz im Gegenteil«, versicherte ich ihr und setzte das Glas an die Lippen, ohne jedoch daraus zu trinken. Der Barkeeper hatte mich vielleicht erkannt und KO-Tropfen hineingemischt – ich wollte es jedenfalls nicht darauf ankommen lassen. Wenn ich nicht schon ein verrückter Paranoiker gewesen war, so wäre ich auf diesem Flug wohl zu einem geworden, sagte ich mir. »Unser Schiff ist fast vollgetankt, und es sieht so aus, dass wir von hier verschwunden sind, bevor der Rest Ihrer Kundschaft das ganze Gebiet mit Gravitationsstrahlen fesselt.«
    Ihre Gesichtszüge entgleisten leicht. Da hatte sie sich so viel Mühe gegeben, und jetzt wollten wir abhauen, ohne uns ihre Präsentation bis zum Schluss angehört zu haben. »Denkt nochmal über mein Angebot nach, ja?«, sagte sie mit einem flehenden Unterton in der Stimme. »Da sind vielleicht noch weitere Vorteile für euch drin, nicht nur das Geld.«
    »Ja?«, sagte ich und widerstand der Versuchung, sie vielsagend von Kopf bis Fuß in ihrer engen Montur zu mustern. Es wäre ein »billiger Schuss« gewesen, und ich konnte mir auch vorstellen, dass sie die einschlägige Klientel des Schluckspecht in dieser Hinsicht großzügig bediente. »Zum Beispiel?«
    Billige Schüsse waren anscheinend Jennifers Metier. Sie hob die rechte Hand hinter meinen Kopf, wobei der eckige Ring sich kurz in meinem Haar verfing, und dann zog sie mich über die letzten dreißig Zentimeter, die uns noch voneinander trennten, an sich und küsste mich.
    Und das war auch kein zögerlicher oder flüchtiger Kuss. Es war ein vollmundiger, kräftiger Lippenschmatzer, in dem die ganze Kraft der Verzweiflung einer Frau lag, die ihre allerletzte Chance zu ergreifen versuchte. Ich erinnerte mich, dass sie davon gesprochen hatte, sie würde hier festsitzen, dass sie für ihren Tipp wegen der von den Patth ausgesetzten Belohnung um eine »Mitfluggelegenheit« zur Erde gebeten hatte, und zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, empfand ich wirklich ein wenig Mitleid für sie. Von allen Anwesenden an diesem Tisch vermochte ich noch am ehesten das Gefühl nachzuvollziehen, in einen Raum eingesperrt zu sein, dessen Wände einen zu zerquetschen drohten.
    Und dann schob sich ihre Zungenspitze zwischen meine Lippen; und plötzlich wich der Anflug von Mitgefühl einer gelinden Überraschung und gewissen Erregung.
    Es schien eine lange Zeit zu dauern, bis der Druck der fordernd züngelnden Zunge nachließ und sie sich wieder zurückzog – obwohl es wahrscheinlich nicht mehr als ein paar Sekunden gewesen waren. Als ihr Kopf aus meinem Blickfeld herauswanderte, erkannte ich, dass Tera mich mit einem wie in Granit gemeißelten Gesicht anschaute. Ich fragte mich despektierlich, welches mimische Spektrum aus Überraschung, Wut oder Ekel sie wohl gezeigt hatte, als ich »beschäftigt« gewesen war. Allerdings hätte auch so ein Rübenschwein wie ich sich in Gegenwart einer Dame nicht derart danebenbenehmen dürfen.
    »Vergiss nicht: Wo das herkommt, gibt es noch viel mehr«, sagte Jennifer unter Einsatz ihrer verführerischen Stimme und erhob sich lasziv. Sie war offensichtlich sehr zufrieden mit sich. »Wenn ihr die Ikarus entdeckt, ruft die Starr- Comm-Vermittlung auf Morsh Pon an und hinterlasst eine Nachricht für Jennifer im Hühnerhof.« Mit einem letzten Lächeln in die Runde sowie einem Grinsen für Tera schlenderte sie von dannen.
    Die anderen sahen mich alle an – mit unterschiedlichen Graden der Erwartung in den Gesichtern. »Sitzt hier nicht rum wie die Ölgötzen«, sagte ich. Für meine vielleicht überempfindlichen Ohren klang meine Stimme ein wenig verwaschen. »Trinkt aus, und dann lasst uns endlich von hier verschwinden.«
    Sie taten wie geheißen und ohne jeden Kommentar. Ich ließ meine Cola stehen und hielt verstohlen ein Auge auf Jennifer, während ich das Geld in kleinen Münzen passend abzählte. Sie kehrte zu ihrem Tisch zurück und sprach kurz mit ihrer Freundin; doch als wir vier aufstanden, verließ sie diesen Tisch und ging wieder auf Wanderschaft -diesmal in die ungefähre Richtung der drei Knubbel. »Gehen wir«, sagte ich zu den anderen und legte Tera die Hand auf den Rücken, um sie vorwärtszubugsieren – eine freundliche Geste, von der ich bei dem bösen Blick, den sie mir zuwarf, sofort wieder Abstand

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