Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
Bildschirme weiterhin finster an. Dass Ich mir so den Kopf zerbrach, führte zu nichts. Ich wurde höchstens rammdösig. Was hätte ein völlig Fremder wie Jones – zumindest ein völlig Fremder für die restliche Besatzung der Ikarus – wohl wissen können, dass man ihn deshalb hätte töten wollen? Vielleicht die Tatsache, dass Nicabar trotz seiner angeblichen Kompetenz in Mechanik nicht wusste, wo bei einem Schraubenschlüssel vorne und hinten war? Aber weshalb hätte selbst eine so massive Verlegung der Wahrheit ein Todesurteil sein sollen? Zumal Onkel Arthurs Profil von Nicabar gezeigt hatte, dass er über diese Fertigkeiten verfügte. Hatte es dann etwas mit Chort zu tun? Oder mit Everett, oder mit Shawn?
Ein Rumoren im Magen störte meine Überlegungen und erinnerte mich vernehmlich daran, dass es schon lange her war, seit ich zuletzt etwas gegessen hatte. Ich warf einen letzten Blick auf die Anzeigen, stand auf und ging zum Tagesraum direkt hinter der Brücke. Das Schiff würde auch allein zurechtkommen, während ich mir schnell ein Sandwich machte und mit einem oder zwei Litern Kaffee nachspülte, um das Denkvermögen zu erhöhen. Obwohl ich das anhand der bis dato gewonnenen Erkenntnisse bezweifelte.
Ich hatte mir aus den nicht sehr abwechslungsreichen Beständen der Bordküche ein Sandwich zusammengestellt und goss gerade Kaffee in einen auslaufsicheren Becher, als ich leise Schritte vor der Tür hörte. Ich drehte mich um und sah Chort im Türrahmen stehen. Warum wunderte mich das nur nicht … »Entschuldigung, Captain McKell«, sagte er mit seiner pfeifenden Stimme. »Ich wollte nicht einfach so hier eindringen.«
»Von Eindringen kann doch gar keine Rede sein«, versicherte ich ihm und winkte ihn herein. »Der Tagesraum ist sozusagen Allgemeinbesitz, müssen Sie wissen. Kommen Sie, kommen Sie.«
»Danke«, sagte er und betrat etwas zögerlich den Raum. »Ich weiß, dass der Tagesraum normalerweise ein allgemein zugänglicher Bereich ist. Aber hier scheint es nicht so zu sein.«
»Die Ikarus ist auch kein normales Schiff«, erinnerte ich ihn, nahm den Teller und den Becher und setzte mich an den Tisch. Bisher hatte ich auf diesem Flug auch kaum die Möglichkeit gehabt, mich mit Chort zu unterhalten, und dies schien nun die ideale Gelegenheit zu sein. »Zumal wir unter sehr ungewöhnlichen Bedingungen fliegen«, fügte ich hinzu. »Unserer Mannschaft fehlt der übliche Zusammenhalt von Leuten, die schon oft zusammen geflogen sind.« Ich schaute ihn fragend an. »Obwohl Sie damit vielleicht nicht allzu viel anfangen können. Sie sind kein routinierter Raumfahrer, nicht wahr?«
Seine Schuppenfedern spreizten sich etwas. »Ist das denn so offensichtlich?«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht ein wenig«, sagte ich. »Ich würde mir deswegen aber keine Gedanken machen. Sie sind ein Craea; und irgendwie liegt euch Leuten die Raumfahrt im Blut.«
»Vielleicht.« Sein Schnabel klickte zweimal leise – das erste Mal, dass ich diesen Ton bei ihm hörte. »Oder vielleicht ist das auch nur ein Mythos.«
»Wenn es einer ist, dann sind ihm aber bisher verdammt viele Leute auf den Leim gegangen«, sagte ich und biss in mein Sandwich. »Es besteht nämlich eine enorme Nachfrage nach craeanischen Weltraumspaziergängern.«
»Vielleicht ist die Nachfrage berechtigt«, sagte er und musterte mich intensiv. »Vielleicht aber auch nicht. Sagen Sie, was hat Schiffsmeister Borodin Ihnen über diese Mission erzählt?«
»Was meinen Sie damit?«, fragte ich und runzelte die Stirn. Mission, hatte er gesagt. Nicht etwa Flug oder Reise. Mission. »Ich wurde angeheuert, um die Ikarus von Meima zur Erde zu fliegen. Hat er Ihnen vielleicht etwas anderes erzählt?«
»Nein, das kann man so nicht sagen«, sagte er, wobei diese reinweißen Augen mich noch immer mit einer beklemmenden Intensität musterten. »Aber er sagte, dass es hier doch um etwas mehr ginge.«
Er hielt inne. »Sprechen Sie weiter«, ermutigte ich ihn und biss wieder ins Sandwich, um nicht gar zu neugierig zu wirken.
Er wartete noch einen Moment, bis er schließlich fortfuhr. »Zwölf andere versuchten ebenfalls, mich auf der craeanischen Stellenbörse auf Meima anzuheuern«, sagte er. »Schiffsmeister Borodin nahm mich beiseite und sagte mir, er könne zwar nicht so viel zahlen, wie die anderen mir boten, aber er könne mir stattdessen die Chance bieten, etwas für mein Volk zu tun, das man nie vergessen würde.«
»Wirklich«, sagte ich mit bemüht
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