Zander, Judith
nich weit
vom Stamm fällt.
Aber wie hättst du das auch
aushalten sollen, wenn du nu zu doli an ihr gehangen hättst. Vielleicht war sie
dann trotzdem weg.
Und denn solltest du ihnen
sagen, wer der Vater zu dem Kind is. Da hättst du gesagt, dass du das nich
weißt. Frau Hanske, hätten sie gesagt. Und ob du sie für dumm verkaufen willst.
Du hättst gesagt, dass du nich lügen willst. Ob du denn nich eine Vermutung
hättst. Nein. Damit konntst du nu nich dienen. Aber sie sollten man ruhig ins
Dorf gehen und danach fragen, da warn viele, die das gar nich erwarten könnten,
ihre Vermutungen loszuwerden, da hätten sie denn bald eine schöne Sammlung.
Jetzt würde das Kind
jedenfalls erst mal in ein Heim kommen. Nein. Doch. Das würd immer so gemacht
in solche Fälle. Da würd der Staat denn die Vormundschaft übernehmen. Und denn
müsste der nächste Angehörige entscheiden, ob er die Vormundschaft vom Staat
übertragen bekommen will, wofür er denn einen Antrag stellen müsste. Denn
würdst du hiermit mal gleich einen Antrag stellen, hättst du gesagt. Und Henry
könnten sie so lange ruhig dalassen, da müsst der Staat gar nix übernehmen.
Frau Hanske, hätten sie gesagt. »Wir sprechen vom Vater.«
»Es gibt keinen Vater.«
Da hätten sie dich ausgelacht
und hätten dich gefragt, ob du an den Klapperstorch glauben würdst. Da hättst du
gefragt, woran sie denn glauben würden. An einen Vater, der nur drauf gewartet
hat, dass sie ihm nu nach drei Jahren sagen, dass er einer is, und ihm eine
Vormundschaft anbieten? Na, da sollten sie Bescheid sagen, wenn sie so einen
aufgetrieben hätten. Du wärst die nächste Angehörige. Nee, du hast gesagt, du
hättst gesagt: »Ich bin die einzige Angehörige, hier.«
»Maria, die wollen mir Henry
wegnehmen«, hast du gesagt, »die wollen mir auch noch Henry wegnehmen.«
Da hast du mir leid getan. Und
da hab ich gesagt, dass sie dir Henry nich wegnehmen wollen. Nur, und da hab
ich denn all meinen Mut zusammengenommen, nur, ob das nich vielleicht so besser
war.
»Was?«, hast du gefragt. »Was
war so besser?«
Da hätt ich am liebsten gar
nix mehr gesagt, aber nu musst ich ja. »Na, ich mein ja bloß. Ob das im Heim
nich besser für ihn war.«
»Nein«, hast du bloß gesagt.
Mehr nich. Aber ich glaub, du warst mir gar nich böse. Du hast nur ganz traurig
ausgesehn.
Nee, diese Ingrid!, hab ich
gedacht. Dass die ihre eigne Mutter so ein Kummer machen muss! Wenn sie dich nu
am Ende noch verhaften. Das hätt ja passieren können, das konnten die doch
machen. Aber denn haben sie doch bloß Henry abgeholt. Gleich am nächsten Tag
haben sie Henry abgeholt ins Heim.
Ein halbes Jahr später hattst
du ihn wieder. Das kann ich mir vorstellen, wie du denen da aufn Senkel
gegangen bist. Da hast du nich lockergelassen. Und du hast das wirklich
geschafft. Du hast ihn wiedergekriegt. Das hat mich gar nich gewundert. Wenn du
was wölkst, denn hast du das auch geschafft. Gewundert hab ich mich bloß, dass
du das unbedingt wölkst. Dabei hattest du das doch gar nich so mit Kindern. So
gut mit Kindern konntst du nich, das hatt ich bald gemerkt. Ich glaub, du
wölkst auch nich unbedingt welche. Ich weiß noch genau, wie du mich angeguckt
hast, als ich da damals zu dir gekommen bin und nich wusst, ob ich nu lachen
oder weinen soll, und dir das auch erst gar nich sagen wollt, aber irgendeinem
musst ichs doch erzähln, und wem denn, wenn nich dir.
»Anna, nu bün'ck schwanger«,
hab ich gesagt und da wurd mir ganz heiß im Gesicht, so wie früher, als hätt
ich was angestellt und müsst das nu sagen. Aber das war doch nu mehr was zum
Freuen. Aber du hast bloß gesagt: »Jetzt schon?«
Und da hab ich mich irgendwie
geniert, obwohl ich dacht, dass ich mich vor dir ja nu nich genieren muss, weil
du noch gar nich so genau Bescheid weißt, hab ich gedacht, wenn du das nu erst
wüsstst, wie das so is mit der Ehe, wie ich mich denn erst geniert hätt. Aber
ich glaub, grad deswegen. Als war ich nu irgendwie, wie haben sie das immer
noch genannt - gefallen, ja. Hochmut kommt vor dem Fall. Und war ich nich ein
bisschen hochmütig vielleicht gewesen, wie ich gesagt hab, ich heirat jetz den
Simon Wachlowski, wo du Angst um deinen Theo hattst? So dumme Sachen hab ich da
gedacht.
»Na, ich bin doch nu
verheiratet«, hab ich gesagt, auf Hochdeutsch.
»Das stimmt«, hast du gesagt.
Aber ich glaub, du wolltst was andres sagen. Und da hab ich mich geärgert über
dich. Wie du nu so hochmütig sein
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