Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
Vom Netzwerk:
vielleicht auch nix dafür, dass dein Theo abgehauen is,
und dass deine Tochter auch weg is, und alles, was passiert is, aber vielleicht
doch. Ich mein, gewollt hast du das nich. Aber passiert isses ja, und da muss man
sich doch fragen, warum. Erna könnt das nu nich mehr. Ach, die war viel zu gut
für diese Welt. Die hat gedacht, sie könnt ihm irgendwie helfen damit. Die
hatte auch keine Angst. Da war sie genauso wie du. Bloß, dass du auch keine
Angst zu haben brauchtest. Dir hätt er ja nix getan. Zuerst, wie das passiert
war, hab ich gedacht, wenn er das nu mit dir gemacht hätt, Anna. Aber das könnt
ich mir gar nich vorstellen. Du hattst wie so was um dich rum, wie so einen
Schutzmantel, an dich kam keiner ran, und Henry hast du schon zur Räson
gebracht, wenn er wieder mal durchhaute. Was der auch angestellt hat, du hast
dir nix anmerken lassen, er könnt dich nich ärgern damit, und du hast dich auch
nich geschämt vor die Leute. »Komm, Henry«, hast du immer gesagt, und denn bist
du mit ihm nach Hause, und ich weiß nich, ob du ihn bestraft hast und mit was,
aber denn war erst mal wieder eine Zeitlang Ruhe. Anna, nee, ich hätt mich in
Grund und Boden geschämt. Wie du das so konntst.
    Wie er da mitten auffe Straße,
ach nee! Und alles hat zugeguckt, und die Gören immer um ihn rum, und ein
Gejohle! Ich dacht wunder, was da los war, und wie ich dichter komm, seh ich
das, die ganze Schweinerei. Nee, das war ja nich mitanzugucken. »Ick künn doo
goor nich henkieken«, hat Martha gesagt, aber gesehn hat sie denn doch alles
hinter ihre Gardine. Wie er da mitten auffe Straße stand und da rumgefummelt
hat an sich selber und seine Hose offen und alles hing raus, und keiner is hin
zu ihm und hat ihn da weggeholt, vonner Straße. Die Gören haben bloß gelacht.
Und ich war noch so dumm zu sagen: »Was gibt das denn da zu lachen, schert euch
nach Haus!«, und denn haben sie mich auch ausgelacht. Aber Herrgott, das ging
doch nich. »Henry!«, ruf ich, und ich weiß genau, das war das erste Mal, dass
ich ihn so angeredet hab, mit seinem Namen, und da war mir ganz komisch dabei,
ich hatt auch bisschen Schiss, aber nich vor ihm, da hat das ja noch keiner
geahnt. »Henry!«, sag ich. »Was soll denn deine Oma denken. Nu geh du man schön
wieder nach Hause.« Aber er hörte ja gar nich, der hatte bloß die Augen stier zum
Himmel und machte nu immer weiter, und ich weiß auch nich, ich mein, ich war ja
nu kein junges Mädchen mehr, aber ich hab mich so geschämt, ich war am liebsten
weggelaufen, ich könnt das nich sehn. Aber einer musste doch was machen. Ich
wollt grade zu ihm hin, ich hätt ihm am liebsten ne Backpfeife gegeben, so ein
Schweinigel, nee, und da seh ich mit Mal ein Auto ankommen, aber mit volles
Karacho kommt der da angefahrn, und ich nix wie runter vonner Straße und die
Gören auch, und ich ruf noch: »Henry!«, aber Henry bleibt stehen, der steht da
wie angewurzelt, und er sieht, dass der auf ihn zurast, er starrt den ja
richtig an, und rührt sich nich! Ich denk, Mensch, das is doch der Gühlmann mit
sein Wartburg, aber da war das auch schon zu spät. Ich dacht, ich werd nich
wieder, wie der da so haarscharf an Henry vorbei is, dass Henry das Taumeln
kriegt und mit seine Kapuze da am Spiegel hängen bleibt und schreit und
schreit, wie er da mitgeschleift wird bis um die Kurve und denn da liegen
bleibt mitten auffe Straße. Und der Gühlmann hat nich angehalten. Der is einfach
weiter. Und Henry war erst ganz stumm, wie er da lag, und ich dacht wirklich,
das wars nu mit ihm. Aber denn fängt der auf einmal an zu bölken und macht ein
Geschrei, als ob sie ihn abstechen, wien Schwein, so hat der gebrüllt, und
brüllt und brüllt und hört nich auf, und die Gören sind gleich um die nächste
Ecke und nix wie weg, und der lütte Sohn von Dietmar Beier is als Einziger zu
ihm hin, und den hat er weggeschubst, dass der hingefallen is, und denn is der
auch weggerannt, und ich hab mich auch nich hingetraut. Ich dacht, irgendeiner muss
dir Bescheid sagen, Anna, irgendeiner muss hin zu dir, aber denn warst du auf
einmal schon da. Und hinter dir her kam Marthas Elke mit ihrem Mann, die hatten
dir das vielleicht gesagt, und Elke hat sich da hingestellt mit verschränkte
Arme und sich das angeguckt, und denn kam auch noch Heini aus seine Tür und
sagte: »Ein Theater!«, und meckerte rum mit seine heisere Stimme, und Christel
guckte ausm Fenster mit ihrem Helmut und sagte zu ihm: »De Bengel gehüürt doch
inne

Weitere Kostenlose Bücher