Zander, Judith
konntst.
»Na, wart, bis du dein Theo
heiratst«, hab ich gesagt. Und ich dacht schon, ich hätt was Falsches gesagt,
weil du erst gar nix gesagt hast, und dann:
»Damit wird das auch nich
anders.«
Ich glaub, da hab ich dich
ganz entgeistert angeguckt. »Was? Was wird da nich anders?«
Und du hast bloß gegrient!
Bloß gegrient hast du! Und da dacht ich, ich fall vom Stuhl.
»Ach, Maria, das weißt du doch
nu genauso gut wie ich!«
Na, das hattst du jedenfalls
fein hingekriegt. Wer hier wohl nu Grund hatte, sich zu genieren! Aber das
hattst du nu wieder so hingedreht: dass ich nu wieder wie die Dumme dagestanden
hab. Nee, Anna, manchmal war das nich zum Auszuhalten mit dir!
Wie ich denn das zweite Mal
schwanger war, hab ich mich schon gar nich mehr getraut, dir das zu sagen. Aber
du hast mir das sowieso gleich angesehn. Verheimlichen könnt man nix vor dir.
Und da warst du denn auch wieder ganz anders. Da hast du mir denn Mut gemacht,
weil ich ja nu das erste verloren hatt und nu Angst hatte, dass das wieder so
kommt, und da hast du mich gefüttert mit das bisschen, was ihr noch mehr hattet
als wir, und das war vierundvierzig, und du hast Sachen für das Kind gestrickt
und hast gesagt, wenns so weit war, denn war der Krieg schon längst vorbei, das
könnt ja nu nich mehr lange so weitergehn.
»Aber Anna, das darfst du doch
nich so sagen«, hab ich gesagt. »Was denkst du, was das wird, wenn wir nu
verliern!«
»Na, wenn du nich willst, dass
dein Kind das hier mitkriegt, denn betst du besser dafür!«
Und siehst du, du hattest ja
recht. Das Kind hat gar nix mitgekriegt. Das war noch gar kein Kind. Und der
Krieg war denn ja auch vorbei. Und ich dacht, ich krieg nu gar keine Kinder
mehr. Dass das nich geht bei mir. Ich wurd auch gar nich mehr schwanger die
Zeit. Einerseits war ich ja froh. Und lieber gar keins als so ein fremdes, hab
ich gedacht, weil, denn hattst du ja auf einmal diesen lütten Peter von eine
aus Hinterpommern. Und mit Peter war das genau dasselbe wie mit Henry, bloß,
dass ich das erst recht nich verstehn könnt, wo das nu schon gar nich dein
eignes war und du noch nich mal verheiratet, und dein Theo noch nich wieder da,
und die Zeit, Anna, die schlimme Zeit, das war ja schlimmer als wie im Krieg.
Man hatte doch gar nix zu beißen die Zeit. Aber diesen lütten Wurm, den hast du
dir nich ausreden lassen. Was denn sonst aus ihm werden sollt, er hätt doch
sonst keinen mehr, hast du gesagt.
Die waren ja nu alle
fünfundvierzig hierhergekommen, da wollt ja auch keiner mehr da bleiben, nach
dem, was die alles gehört hatten vonne Russen, wie die Russen da gehaust haben
inne Ostgebiete, da könnt dir das kalte Grausen kommen, wie die das so erzählt
haben, und wie sie überfallen worden waren auffe Flucht und die Hälfte das gar
nich geschafft hatte bis hierher. Und was hatten wir für eine Angst, dass uns
das nu genauso gehen würd, wenn erst die Russen bis hierher warn, dass uns das
denn genauso dreckig gehen würd, und Anna, da hab ich gedacht, wenn das so
kommt, denn bring ich mich um. Bevor mich einer vonne Russen anfasst, bring ich
mich lieber um. Ich wollt sowieso nich mehr, die Zeit wollt ich gar nich mehr.
Und da hab ich mich immer gefragt, wie du das so machst. Dass du gar keine
Angst hattst, wie sie die alle bei euch einquartiert haben, die Flüchtlinge,
und erst warst du auch noch ganz alleine mit die, bis denn dein Vater
zurückkam. Uns hatten sie ja auch welche zugeteilt, aber bloß eine junge Frau
mit ihre Mutter, und die waren anständig, und ich hatt ja da auch meine
Schwiegereltern, und Simon war auch bald wieder da, und die haben sich nich
gemuckt, und wie sie nu erst mitkriegten, dass Simons Eltern aus Polen waren,
da waren sie nu ganz verschüchtert, da wollten sie nu gar nix mehr von uns
nehmen, und da mussten wir denen erst sagen, dass wir ihnen nu bestimmt nix tun
würden.
Aber die meisten hatten sie ja
in die Schnitterkaserne gesteckt, und da sind denn auch paar noch gestorben, in
das kalte Loch, und alles voller Wanzen, da hätt ich um nix auffer Welt drin
sein wollen, da waren gar keine Scheiben mehr drin, das sah schon damals nich
viel anders aus als heute. Und da war auch die Frau dabei, die Mutter zu dem
Lütten, und die war so krank. Und du bist da immer hin und hast ihr Brot
gebracht oder mal eine Suppe, und das ging aber auf die Dauer nich, weil die
andern dich schon böse angeguckt haben, wie du gesagt hast, die hatten ja auch
Hunger und sahen nu immer, dass
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