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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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ganze Zeit
meine rechte, er ist sogar noch ein Stück herangerückt. Er drückt den
Jointstummel aus, gründlich, guckt Richtung Acker. Ich traue mich zum ersten
Mal, ihn ruhig zu betrachten, sein Profil. Die Nase ist anders. Aber er hat diese Wimpern. Er dreht sich
zu mir, rückt ein Stück von mir ab, meine Seite kühlt sofort aus. Er sagt:
»Weißt du, ich wollte dir das noch sagen.«
    Ich sehe ihm direkt in die
Augen, sehe sogar bei dieser dürftigen Beleuchtung das Grün, ich denke: oh
mein Gott, und: oh mein Gott, mein Herz sitzt auf einmal weit oben im Hals, ich
halts nicht aus, jetzt ist es so weit, jetzt ist alles zu spät, jetzt, wo alles
zu spät ist, ach was, bloß jetzt sags schon, oh Paul.
    »Es war eine Wette«, sagt er.
    Ich starre ihn an, so starr
wie meine Krebse. »Was?«, frage ich und weiß es längst.
    »Die Elpe«, sagt er. »Ich habe
gewettet, mit Ecki. Dass ich es schaffe, also, euch mitbringen.«
    Ich muss ihn jetzt ohrfeigen,
nein. Mich. Ich stehe auf. An der Tür drehe ich mich noch mal um, das hohe Herz
ist zu einem Kloß mutiert, aber auch auf die Gefahr hin, vorzeitig heulen zu
müssen, frage ich: »Und? Hast du jetzt gewonnen?«
    Er steht auch auf und kommt
auf mich zu, ich versuche, ihn wütend anzusehen, aber ich merke schon, dass
dabei ein Ausdruck herauskommt, der sich von geistiger Zerrüttung kaum
unterscheiden lässt.
    »Nein«, sagt er. »Aber du.«
    Und auf einmal ist mir das
Seegrün so nahe, dass ich anfange zu schwimmen, und dann ist da bloß noch der
kurze weiche Widerstand meiner Lippen und seiner und die unerwartete
Feuchtigkeit und unsere Zungen zwei kleine sich suchende Tiere. Schmetterlinge,
eventually. -
    W ir küssen
die N acht? -
    Meine Hand gleitet langsam aus
seinem Haar, meine Wange vermisst sofort seine. Eine Weile stehen wir so, platt
wie die Flundern. Schließlich entwirre ich unsere Finger, sage: »Warte.«
Fummele zittrig den Schlüssel hervor, flitze ins Haus, in mein Zimmer, zum
Regal und wieder zurück. Ich nehme Pauls linke Hand. Und hinein lege ich John,
den hellen Flusskrebs. Paul sieht ihn verwundert an. »Sing ihm ab und zu was
vor«, sage ich.
    Er steckt ihn vorsichtig in
seine Innentasche. »Ich habe nichts, was ich dir geben kann«, sagt er.
    »Paul!«, sage ich.
    Er seufzt. »Oh my God.« Dann
umarmt er mich, ich weiß, dass es nicht zwei Minuten sind, ich bin
stocknüchtern auf einmal. Paul sieht mich an. Er versucht, nicht zu blinzeln,
dem, was er in den Augen hat, nicht nachzugeben. Ich bin mit demselben Versuch
beschäftigt, derselben Versuchung. Paul nimmt meine Hand und küsst sie, die
feine englische Art, ich lächle, indem ich die Lippen zusammenpresse, Paul
sagt: »Ich muss noch mal zu Ella. Ich hab meine Tasche vergessen.«
    TWO of us
riding nowhere.
    Er küsst mich auf die Wange,
die Stirn, er ist mit drei Schritten auf dem Pflaster, die Dorfstraße
verschluckt ihn hinter der einzigen Laterne, hastig, windig, in ihrer
Dorfdunkelheit.
    »S ave the last dance for me «, flüstere ich. Du kannst mich mal, Paul
McCartney, ich schlage heulend die Tür hinter mir zu, so laut es geht. -
    Ich muss irgendwie, obschon
blind, in mein Zimmer gefunden haben. Ich muss aufs Klo gegangen sein, denn
meinem Magen gehts besser. Ich muss mich ausgezogen haben, mich hingelegt, denn
ich liege in meinem eigenen, bekannten, nach mir, wem sonst, riechenden Bett.
Es muss wie eine Rückkehr gewesen sein, ich muss meine leicht durchscheinende
Hülle dort liegen gesehen haben und aus Mitleid wieder hineingeschlüpft sein,
wie sonst ist es zu erklären.
    Bloß schlafen, das will noch
nicht wieder klappen. Einiges verlernt man doch. Ich kann das nicht mehr.
Schlafen, wie geht das denn. Schlafen. Ich kann mir gar nichts darunter
vorstellen. Ich kann nicht. Schlafen. Ich kann nicht schlafen, nein, schlafen
kann ich nicht. Ich überlege, welche Art von Defekt es sein könnte,
verbreitet, selten, harmlos, nicht so harmlos, bedenklich, bedrohlich. In
welcher Hinsicht. Ich überlege, ob man daran sterben kann. Das wäre ja
einfach. Also wahrscheinlich wieder nicht. Ich kann nicht schlafen. Worauf
wartest du, auf ein Wunder? Du kannst ja nicht mal davon träumen.
Schlaftabletten. Taugen doch heute nichts mehr. Ich kann nicht schlafen, wenn
das mal nicht langweilig ist. Wie soll man auch schlafen, wenn man sich alle
paar Sekunden Rotz und Wasser abwischen muss.
    Als es allmählich grau wird in
meinem Fenster, stehe ich auf.
    Auf der flachen linken Hand,
wie auf einem

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