Zander, Judith
fast die Hand ausgerutscht.
»Elisabeth!«, sagt Britta.
»Fällt dir nix andres ein?«,
sag ich. »Die weiß ja wohl, wie se heißt, und ich auch.«
»Wir gehn jetz zur Beerdigung
von Frau Hanske, willst du mitkommen?«
»Nee!«, sagt Ella.
Und dann kommen sie nachher
zurück, und Britta sagt: »Gab guten Kuchen«, und dann sagt sie: »Weißt du, wer
da war?«
Ich sag: »Nee, will ich auch
gar nich wissen«, und sie: »Na, die Tochter! Ingrid, so heißt die doch, oder?
Mitsamt Familie!«
ELLA
Was ist das nun wieder für
einer? Guckt mich an und dann weg und dann wieder an. Stand schon da, als ich
angekommen bin, hat mir zugenickt. Mach mich bloß nicht an, hab ich gedacht,
aber ich glaub, der ist harmlos. Ziemlich blass, ziemliche Schlafzimmeraugen,
keiner von der Elpe. Zu fein dafür, sagen wir mal: gepflegt. Das ist ja echt ne
Ausnahme hier, ne Seltenheit, na ja, ungefähr so, als würd einer wie Ecki sich
bei einem entschuldigen, was der überhaupt nie machen würde. Einmal hat er
lieber Pferdeäppel runtergewürgt. Hat ihm nicht grade geschadet. Hat ihm sofort
den grenzenlosen Respekt aller Elpe-Typen eingebracht, sogar ein paar von den
Älteren haben ihm wie blöd auf die Schulter gekloppt, als es rum war im Dorf.
Nur die Weiber wollten nicht mehr mit ihm knutschen, hat anscheinend keine
lange durchgehalten. Jetzt ist er der Boss. Arschloch.
»Sorry?« Das kommt aus dem
Mund von dem geschniegelten Typen, er sagt auch: »Ich mein, wie bitte?«
Wie bitte? Ach Scheiße, hab
ich wohl wieder laut gedacht. Doofe Angewohnheit, passiert mir auch in der
Schule ständig, ich merk das gar nicht so, immer erst, wenn die andern schon
komisch gucken oder kichern. Ich glaub, ich hab das von Oma, aber die redet
inzwischen richtig mit sich selber, was die alle natürlich unmöglich finden,
»jetzt verkalkt se«, sagt Mutti immer, aber Vati sagt, »nee, vergiss es, die is
zäh wie n oller Truthahn, die überlebt uns noch alle.« Und dann lacht er ganz
kurz, vielleicht weil es nicht so aussehen soll, als wenn er das ernst meint,
oder weil er sich seine eigene Mutter als Truthahn vorstellt, oder was weiß
ich. Manchmal muss ich da mitlachen, weil Omas Hals ja wirklich so
truthahnmäßig runterhängt, und ich hasse das, echt, weil Vati einen immer zum
Lachen bringt, wenn man grad nicht lachen will, sonst nie. Und deshalb denk ich
manchmal, dass es wahrscheinlich gar nicht so verkehrt war, wenn der olle
Truthahn ihn überlebt. Außerdem, wenn seine Mutter so was ist, was ist er denn
dann eigentlich?
»Schon gut«, sag ich zu dem
Sorry-Typen, dass die neuerdings alle immer >sorry< sagen, wenn denn doch
mal ne Entschuldigung fällig ist, oder nur so, aber wie meint der das jetzt
eigentlich, ich hör das jedenfalls ständig, sogar von Mutti. Kommt mir zwar
ganz schön bescheuert vor, aber ist ja anscheinend cool. Das ist auch so ein
Wort. Vati kriegt Ausschlag, sagt er, wenn er das hört. Ich auch, braucht er
aber nicht zu wissen. Mutti sagt das trotzdem, sie sagt, es rutscht ihr so
raus, weil ihre Schüler das sagen. Glaub ich aber nicht, ich mein, dass es ihr
rausrutscht. Die kommt sich nämlich selber ganz schön cool dabei vor.
»Oh«, sagt er, er streckt mir
die Hand hin, das soll wohl jetzt sone offizielle Vorstellung werden oder was,
kaum macht man den Mund auf, rücken sie einem gleich auf die Pelle. Seine Hand
ist ganz warm und weich, fühlt sich unglaublich gut an. Als würde man die
eigene noch mal schnell unter die Bettdecke stecken, kurz nach dem Aufstehen.
»Ich heiße Paul, Paul Ishley.«
Krass! Und das morgens um halb
sieben an der Bushaltestelle. Eindeutig englischer Akzent, na logisch, der
Name, Mann! Ein echter Engländer oder Ami oder was. Ich merk, wie ich ihn anstarr,
und wie immer auch noch schön den Mund offen, beweist ja wieder mal herrlich
meine Dorftrotteligkeit. Ich guck schnell runter, da sagt er: »Ich komme aus
Irland.«
Irland? Wie jetzt? Achso. Er
guckt mich an, und wie, der hat ein Talent dafür. »Und du?«
Ich? Oh Gott. »Ich heiße Ella,
also Elisabeth - Wachlowski, und ich komme - äh, na aus dem Dorf hier.« Na
toll. Ist ja wie im Film. Der Bus, na endlich.
SONJA
»Ja, Renate, ja, mach ich, ne,
tschü-üß!«
Mach ich, mach ich, ja, na
klar, Sonja macht ja immer, Sonja bäckt einen Kuchen, Sonja bastelt mit den
Kindern. »Du kannst doch so gut mit Kindern.« Ja, ja. Ach die Kinder, was
können die dafür, und wenn ich es nicht mach ... Die denkt sich, ich hab
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