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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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darüber nach, es ist einerseits beängstigend, andererseits
hochinteressant, da undefinierbar, ich bin sogar schon auf den Gedanken
verfallen, ob das seine verdrehte Art ist, Interesse zu bekunden, also an mir,
womit er dann weit und breit der Einzige wäre, ausgerechnet.
    Manchmal denke ich, die beiden
würden ein hübsches Pärchen abgeben, also Ella und er. Sie sitzt wiederum in
Chemie vor ihm, sitzt dort dösend und weiß nichts. Frau Pufesiels Redefluss, in
dem es von sächsisch kolorierten »Pyrametschen«, »Löckmuspapierschen«,
»Örlen-Mäyer-Kölbschen« und anderen Verniedlichungen wie von possierlichen
Tierchen wimmelt, muss in Ellas Ohren wie das Rauschen eines fremden Meeres
klingen, auf dessen Weiten sie schläfrig dahindümpelt. Und dann, plötzlich,
überspült sie unerwartet und gefährlich zischend eine Welle in Form ihres
eigenen Namens, »Elisabeth!«, und sie schnappt nach Luft.
    Jetzt weiß sie aber wohl doch
mal was, sie kommt ziemlich dicht zu mir ran, der Bus schubst sie mir noch
entgegen. Ich rieche ihren Pausenbrotatem, als sie flüstert: »Hast du den Iren
schon gesehn?«
    »Was?«, frage ich. Ich bin mir
nicht sicher, sie überhaupt richtig verstanden zu haben. Ich überlege kurz, ob
auch sonst irgendwas nicht stimmt mit ihr, ob sie Aussetzer hat oder so.
    »Na ja«, sagt sie bloß. Und
dann wieder in diesem Flüsterton: »Er sitzt da vorne.« Sie zuckt mit dem Kopf.
Was soll das? Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute flüstern, Mama macht das
auch ständig, entweder man sagt, was man will, oder man lässt es.
    »Wer?«, frage ich.
    »Ich weiß nich«, sagt sie,
jetzt fast normal, als hätte sie bereits gemerkt, dass sie mich krank macht und
ich drauf und dran bin, das Gespräch abrupt und kommentarlos zu beenden. Als ob
das eine meiner leichtesten Übungen wäre.
    »Er hat bloß gesagt, dass er
aus Irland is.«
    Aus Irland! Das klingt wie vom
Himmel gefallen hier. Mein Blick rastet auf einem dunklen Hinterkopf ein, den
meint sie wohl. Ich traue mich kaum, ihr weitere Fragen zu stellen. Irgendwie
glaube ich ihr auch nicht so richtig. Ich mustere sie von der Seite. »Wie heißt
er denn?«
    »Ach, weiß ich nich. Hab ich
vergessen.« Sie lächelt und guckt mich ein bisschen kleinlaut an.
    »Na ja«, sage ich.
    Als der Bus an der letzten
Bresekower Haltestelle bremst, steigt der sogenannte Ire tatsächlich mit uns
aus. Nur wir drei, was aber immerhin schon eine Zuwachsrate von fünfzig Prozent
ausmacht. Er geht auf Ella zu und sagt wirklich »Hallo« zu ihr. Und mich
trifft der Schlag.
    »Du wohnst auch hier?«, fragt
er mich.
    »ja«, sage ich, ich bin total
verdattert. Ella guckt mich an. Wohl weil nichts weiter von mir kommt, sagt
sie: »Das ist Romy. Sie ist auch vom Gymnasium.«
    Ich finde das ganz schön
dreist, kann aber nicht weiter darüber nachdenken. Mich beschäftigt nur eins.
Dieser Mensch sieht aus wie Paul. Paul McCartney. Wie Paul McCartney mit
dreiundzwanzig wohlbemerkt.
    Er gibt mir die Hand, er
lächelt.
    »Ich bin Paul«, sagt er.
     
    JOHN & PAUL
     
    G laubst du an
eine L iebe auf den ersten B lick
    J a ich bin
sicher dass es ständig passiert
    W as siehst
du wenn du das L icht ausmachst
    I ch kann es
dir nicht sagen aber ich weiss
    dass es meins
ist
     
    B rauchst du
irgendjemanden
    I ch brauche
nur jemanden zum L ieben
    K önnte es
irgendjemand sein
    I ch will
jemanden zum L ieben
     
    HENRY
     
    Warum sie mit dem Brief
angekommen sind, weiß er genau. Sie haben vorher kein Wort gesagt, sie haben
ihm sein Mittagessen gegeben, und er hat alles aufgegessen, weil sie das gerne
sehen, aber manchmal sagen sie auch, »schling nicht so«, manchmal sagen sie
auch, »der frisst wie ein Schwein«. Dann hat er seinen Mittagsschlaf gemacht.
Am Anfang wollte er nie Mittagsschlaf machen, zu Hause hat er nie Mittagsschlaf
gemacht. Hier hat er sich dran gewöhnt, wie sie es ihm gesagt haben, »du
gewöhnst dich schon dran«. Bestimmt hat er geschnarcht, sie sagen dann immer,
»du hast wieder ganze Wälder abgesägt«, und das hört er gerne und lacht dann,
er lacht immer laut darüber, wenn sie wieder sagen, du hast ganze Wälder
abgesägt. Sie machen ja bloß Spaß, aber ihm gefällt das, dass er Wälder absägt
und dass es auch noch lustig ist. Dass er beim Schlafen eine Säge hat. Ich hab
doch keine Säge, hat er mal gesagt, und da haben sie alle gelacht. Er macht
gerne Spaß, aber manchmal sagen sie, »jetzt reichts«, »jetzt hör aber ma auf«,
und wenn er mit den anderen

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