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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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wieso ich ihr überhaupt das Schwimmzeug
mitgegeben hab, »das ist typisch«, sagt sie, »immer deine Übervorsichtigkeit:
>falls du doch noch schwimmen musst. <« War aber wirklich meine Schrift,
ich hab nun mal so eine Erste-Klasse-Schrift, wollte die aber natürlich nicht
glauben. Da hab ich ihr mal ordentlich die Meinung gesagt, und dann hab ich sie
so halb rausgeschmissen, na ja. Aber dann hab ich Angst gehabt, dass sie Romy
nun erst recht schikaniert. Die konnten doch machen, was sie wollten, kam man
ja nicht gegen an. Und Romy war eben schon immer schüchtern, deswegen will sie
ja mit Leuten am liebsten gar nix zu tun haben. War das immer ein Akt, wenn sie
bloß mal um die Ecke laufen und Brot holen sollte! Manchmal denk ich, ich hab
da was falsch gemacht. Geschwister wären wahrscheinlich gut gewesen, und
ausgerechnet ich hab nur ein Kind, aber ging ja nun mal nicht. Was die da
damals mit einem gemacht haben - ich möcht nicht wissen, wie ich von innen
ausseh. Die hatten mich ja schon aufgegeben. »Frau Plötz«, haben sie hinterher
gesagt, »wir haben nicht mehr an Sie geglaubt.«
     
    ROMY
     
    Zum Glück nimmt Papa mich
morgens mit, obwohl das auch nicht ideal ist. Er muss um sieben auf Arbeit
sein, ich aber erst um fünf nach sieben in der Schule, da klingelt es zum
ersten Mal, zum Reingehen, und eine frühere Anwesenheit ist ja wohl kaum
erforderlich. Keiner, der einigermaßen normal tickt, stellt sich vor sieben auf
den Schulhof, schon gar keiner aus der Zwölften, außer Anita vielleicht, und
eben die armen Schweine namens Fahrschüler, die bei tiefster Nacht aufstehen
müssen, damit der Schulbus sie dann eine halbe Ewigkeit zur Schule zuckelt und
noch mal eine andere halbe Ewigkeit vor Unterrichtsbeginn dort ausspuckt. Bei
Regen, oder falls es wirklich mal überaus kalt ist, dürfen sie sich in den
Essenraum setzen, und man versuche mal, sich was Trostloseres vorzustellen, als
morgens um kurz nach halb sieben in einem grell mit Neonröhren illuminierten
und olfaktorisch nicht sonderlich ansprechenden Keller die Zeit abzusitzen,
noch dazu mit der jeden Lebenssinn vernichtenden Frage, worauf man hier
eigentlich wartet. Auf die Matheklausur in der ersten Stunde. Überhaupt, wer
hat sich das bloß ausgedacht, wir sind die einzige Schule weit und breit, an
der noch die sozialistische Zeitdiktatur des Proletariats herrscht, dabei ist
es wissenschaftlich erwiesen, dass vor halb neun kein Mensch zu irgendwelchen
höheren Leistungen in der Lage ist.
    Andererseits hat man dann
wenigstens nachmittags seine Ruhe und kann meistens schon um eins entkommen.
Das heißt, nicht gerade mit dem Fluchtfahrzeug meiner Wahl, da muss ich dann
doch in die Niederungen der Fahrschülerkaste hinabsteigen, da bleibt mir
nichts erspart. Der Schulbus fährt den geballten Lärm übers Land. Er ist
nichts anderes als ein Stahltopf, in dem konzentrierte Lärmsuppe schwappt, und
jedes Dorf, jedes erbärmliche Kacknest kriegt seine lärmdampfende Ration
zugeteilt, eine Kelle voll an den Straßenrand. Und man selbst mitten drin in der
brodelnden Brühe. Verbleibende Garzeit: ein Schuljahr. Man kann nicht sitzen,
man kann nicht denken, man weiß nicht, was man zu Ella Wachlowski sagen soll.
    Die hat sich direkt neben mich
gestellt, ich habe so was wie ein Lächeln zustande gebracht. Wir kommen ja
jetzt aus demselben Dorf sozusagen. Ich seh sie da nie. Komisches Mädchen. Ich
meine, ich weiß, die anderen denken auch, dass ich komisch bin, keine Ahnung, was
Ella denkt, ob sie überhaupt manchmal was denkt, aber sie ist es jedenfalls
wirklich, ich meine, wirklich komisch, seltsam. Wenn ich vielleicht auch strange bin - ein Wort, das mir
übrigens gar nicht mal missfällt, ganz im Gegenteil, weil es ja gleichzeitig
auch >fremd< bedeutet, und ich glaube, das bin ich hier eindeutig - Ella
ist weird. Macht zum
Beispiel den Mund nur auf, wenn sie was gefragt wird. Sie sagt oft, »weiß ich
nich«, oder: »keine Ahnung«. Sie hat so eine Art, mit den Schultern zu zucken,
man hält das nicht für möglich manchmal, diese Teilnahmslosigkeit, oder was es
ist. Wäre sie ein Junge, würde ich sie für einen angehenden Psychopathen
halten. Aber den gibts ja noch zusätzlich. Dieser Sven, der sitzt in Chemie
schräg vor mir, und ab und zu dreht der sich ganz langsam so halb zu mir um,
mit einem engen iltisartigen Blick, zumindest muss ich bei ihm immer an einen
Iltis denken, und ich habe absolut keine Vorstellung, was das soll. Ich grüble
jedes Mal

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