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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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Spaß macht, verpetzen die ihn, und dann sagen sie
zu ihm, »das macht man nicht« und immer solche Sachen, und dann hört er nicht
mehr hin, dann hört er nämlich weg. Das kann er gut, das haben sie früher schon
zu ihm gesagt, ja, das kann er, und manchmal haben sie gesagt, das ist das
Einzige, was er kann, aber das stimmt nicht, aber das hat er ihnen nicht
gesagt, dass er auch noch ganz andere Sachen kann, und auch nicht, dass er in
Wirklichkeit das gar nicht so gut kann, weghören, in Wirklichkeit weiß er
nämlich gar nicht, wie das geht, er weiß nur, wie man so tut, als wenn man
weghört. Ha ha, hätte er hinterher am liebsten immer gesagt, ich hab gar nicht
weggehört, ich hab alles gehört, was ihr gequatscht habt, aber dann hätten sie
das ja gemerkt.
    Und dann sind sie angekommen
und haben gesagt: »Wir müssen dir was sagen, Henry«, und er hat erst mal
wieder gelacht, weil sie so komisch ausgesehen haben, weil sie so ausgesehen
haben, als wenn man nicht lachen darf. Sie haben gesagt: »Henry, deine
Großmutter ist leider gestorben«, und dann haben sie ihm den Brief hingehalten,
und er hat gelacht, weil er doch gar keine Großmutter hat, er hat doch gar
keine Mutter. Und weil er doch gar keine Wörter lesen kann, schon gar nicht so
viele Wörter auf einmal, so viele schwarze kleine Wörter, so viel
Fliegenschiss, hat sie immer gesagt, »das ist doch nur Fliegenschiss«. »Da muss
man sich nicht drüber aufregen.« Außerdem wollten sie bloß sehen, was er macht,
wenn sie ihm den Brief zeigen, das machen die nämlich öfter, die zeigen ihm
Sachen oder sagen Sachen zu ihm und wollen sehen, was er dann macht. Dann lacht
er meistens, und dann sagen sie, er soll nicht immer bloß lachen, er soll mal
was sagen, aber er sagt nichts, er nicht, er ist nicht so doof wie die andern,
die sind doch alle doof. »Lass die doch alle«, hat sie immer gesagt, die sind
doch alle doof, »die wissen das nicht besser.«
    »Du weißt das doch besser.« Er
ist hin- und hergelaufen, er ist immer um den Stuhl drumrum und hat gesagt,
»ich sag nichts, ich sag nichts, ich weiß das besser, ich sag nichts«. Sie
haben gesagt, »Henry!«, und dann hat er gesagt: »Is Oma tot?«
    Sie haben gesagt, ja, deine
Oma ist tot, sie ist vorgestern gestorben, das steht in dem Brief hier, und
dann haben sie wieder auf den Brief gezeigt.
    »Das glaub ich nich«, hat er
gesagt, »ich bin doch nich doof. Kommt Oma jetz aufn Friedhof, jetz gleich?
Kommt sie jetz gleich in Himmel oder sonstwas?« Sie haben »Beerdigung« gesagt,
und dass er da nicht hinkann, weil das nämlich nicht gut für ihn ist, weil das
nämlich zu viel Stress ist und Ärger, weil das nicht gut ist.
    »Ich war das nich«, hat er
gesagt, ganz laut, »ich war das nich«, sie haben gesagt, beruhig dich, du
kriegst gleich was, was zur Beruhigung, gleich, er hat ganz laut gelacht und
gesagt, »ich war das nich, ich war das nich, ich war das nich«, sie haben ihn
festgehalten.
     
    MARIA
     
    Tja, und unsereins muss nu
noch immer noch weitermachen mit dem Leben. Du hast das ja immer besser gehabt,
Anna, nich, wie oft hab ich zu dir gesagt, du hast das gut. Aber neidisch war
ich nich, das kannst du nich sagen, na, manchmal hab ich schon geguckt auf
deine Kleider, besonders das blaue mit die Rüschen, dabei hab ich ja gewusst, dass
Blau mich gar nich kleidet, und du hattst so schöne blonde Haare, aber das is ja
nu lange her, ach Gott, das is ja nu schon gar nich mehr wahr. Aber ich hab das
alles noch im Kopf, ich, und du hast das vielleicht alles schon vergessen
gehabt, du hast ja bloß noch gesagt, »na, Maria«, wenn wir uns mal übern Weg
gelaufen sind, und dabei hast du immer son bisschen traurig geguckt, das hab
ich genau gesehn, und da hab ich immer gedacht, na, du hast ja auch allen Grund
zum Traurigsein, aber denk man nich, dass du da nich auch selber dran schuld
bist. Denn wenn da nu einer neidisch sein konnte auf einen, denn du auf mich,
wenigstens so von außen, aber ich sag dir, ich war nich neidisch auf mich
gewesen, mir ging das auch nich so gut, wie das vielleicht aussah, du brauchst
dir nu nich einzubilden, dass nur dir das dreckig ging, bloß dass das bei dir
nu alle gesehn haben, und bei mir haben sie bloß Simon gesehn und haben gesagt,
was ich fürn guten Mann hab, und dass Maria Behn da aber ein unverschämtes
Glück gehabt hat, und später haben sie denn Hartmut gesehn, und dass Maria
Wachlowski da aber nu stolz drauf sein kann, dass ihr Sohn so gut war in

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