Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Fingernägel in meine Handflächen, um nicht die Beherrschung zu verlieren, versuche, mich daran zu erinnern, was Twiss mir beigebracht hat, und ziehe mich tiefer ins Anderswo zurück.
Dort finde ich die nötige Ruhe, um nachdenken zu können. Ich brauche das Gift der Apothekerin nicht. Es gibt noch einen anderen Weg in die Freiheit. Ich kann so weit in das Anderswo hineingehen, dass ich selbst für meinen Vater unerreichbar bin. Er mag vielleicht meinen Körper in Besitz nehmen können, aber meine Seele wird ihm niemals gehören.
»Hast du dich nie gewundert, Zara, warum Swift dir so ähnlich sah?«, spricht mein Vater weiter.
Seine Worte treffen mich mitten ins Herz. Alles in mir verkrampft sich. Benedict wird mir gleich ein Geheimnis enthüllen. Ein dunkles und mächtiges Geheimnis. Ich will es nicht wissen, spüre instinktiv, dass es dabei um mich geht und ich nie wieder dieselbe sein werde, wenn ich es erfahre.
»Nicht«, flüstere ich lautlos und gleichzeitig von dem seltsamen Verlangen erfüllt, die Wahrheit zu hören.
»Ihre Haare«, fährt er lächelnd fort, »waren, wenn ich mich richtig erinnere, von demselben Braun wie meine.«
Mein Verstand weigert sich, seinen Worten einen Sinn zu verleihen, aber tief in meinem Inneren wächst eine schreckliche Erkenntnis.
»Wir haben mehr gemeinsam, als du glaubst. Auch ich bin einst meiner unangemessenen Schwäche für ein Stück Vieh erlegen. So etwas kommt vor. Öfter, als wir Magier es zugeben wollen. Die Mutter deines Tribut-Kinds war eine Zählerin. Ihr Haar war blond, nicht rot, aber davon abgesehen sah sie aus wie Eleanor.«
Er schließt kurz seufzend die Augen, bevor er mit einem selbstironischen Lächeln fortfährt. »Ich weiß noch, wie ich sie das erste Mal sah – dasselbe Gesicht, derselbe Körper. Sie hätte die Zwillingsschwester deiner Mutter sein können. Ich konnte nicht widerstehen …«
Benedict hält inne und lässt lauernd den Blick schweifen, begierig darauf zu sehen, dass die Wunde, die er schlägt, tödlich ist. »Ich habe sie in mein Bett geholt. Deine Mutter ist die einzige Frau, die ich je geliebt habe, Zara. Und wie ich sie geliebt habe. Ich tue es noch. Aber sie war wahnsinnig, eine Ketzerin, deren Geist der Blasphemie anheimfiel. Nicht einmal ich konnte sie retten. Und als ich dann Swifts Mutter sah … Nun, aus der Verbindung entstand ein Kind.«
Ich kann die Wahrheit nicht länger verleugnen. Sie ist so ungeheuerlich, dass ich mich vor Schmerz krümme und laut schreien möchte.
»Verstehst du jetzt?« Die Stimme meines Vaters frisst sich wie ätzende Säure in mich hinein. »Swift war deine Halbschwester. Natürlich hätte ich die verdorbene Brut gleich nach der Geburt töten sollen, wie es das Gesetz vorschreibt. Aber ich stehe über dem Gesetz. Ich bin der Erzmagier vonAsphodel, der mächtigste Großmeister, den diese Welt je gesehen hat, und als dieser werde ich in die Geschichte eingehen, sobald ich das Land von unseren Erzfeinden, den Erschaffern, gereinigt habe!
Das Kind der Zählerin trug mein Blut in den Adern. Benedicts Blut. Und die Mutter war ein außergewöhnliches Exemplar ihrer Art. Abgesehen von der Tatsache, dass sie keine Magie besaß, wirkte sie vollkommen menschlich. Ich bin das Risiko eingegangen … Ich hoffte, mein Blut würde sich durchsetzen. Auf unserer Rasse liegt der Fluch der Unfruchtbarkeit und die Götter haben mir nur ein Kind gewährt. Und du … du hast den Wahnsinn deiner Mutter geerbt …« Er hält einen Moment um Atem ringend inne. »Also habe ich das Kind am Leben gelassen und es dir gegeben, als die Zeit dafür gekommen war. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte. Das verseuchte Viehblut hat sich am Ende durchgesetzt: Das Kind besaß keine Magie. Stattdessen entwickelte es einen rebellischen Geist und wurde zu einer immer größer werdenden Bedrohung mit einem unstillbaren Hunger nach frevlerischen Schriften. Aber dafür warst du verantwortlich. Du hättest ihr das Lesen niemals beibringen dürfen. Ich gebe dir die Schuld, Zara. Dir ganz allein.«
Ich gebe dir die Schuld, Zara … deine Halbschwester … verdorbene Brut … Ich gebe dir die Schuld … Ich gebe dir die Schuld …
Nichts tut so weh wie die Wahrheit, die man längst hätte kennen sollen. Wie hatte ich nur so blind sein können? Aber sie wusste es. Swift wusste es! Sie hat es mir sogar in ihrem Brief gesagt, aber selbst da habe ich die Wahrheit nicht erkannt.
Tränen strömen mir übers Gesicht, und ich
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