Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Otter. Ich spüre seine Verwirrung und sie tröstet mich. Der große Erzmagier kann seine Beute nicht finden und es bringt ihn zur Weißglut.
Ich wünschte, ich könnte mit dem kalten Stein verschmelzen, an den ich mich presse. Wozu ich durchaus in der Lage wäre, aber Benedict würde meine Magie spüren. Während ich zusehe, wie er immer näher kommt, vergesse ich meine Angst. Hass steigt in mir auf, dunkel und bitter. Eleanor, die Mutter, an die ich mich kaum erinnere. Swift. Gerontius. Aidan, Bruin. Wir haben noch eine Rechnung offen, Vater. Otter hat mir befohlen, auf dem schnellsten Weg aus dem Palast zu verschwinden. Aber die Götter gewähren mir eine Chance, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Hier und jetzt.
Ich forme einen scharfen Dolch aus meinen Gedanken. Ein erfahrener Großmeister ist in der Lage, mit einem einzigen Gedanken zu töten.
Ein Gedankendolch … ich schmiede die Klinge aus reiner Luft, bis sie härter ist als Eisen und schärfer als zerbrochenes Glas. Ich habe schon einfache Magie aus dem Anderswo heraus gewirkt, aber nie die Magie eines Großmeisters. Ich setze nun alles aufs Spiel.
Jeder Muskel in meinem Körper spannt sich an, mein Atem beschleunigt sich und verlangsamt sich wieder, als ich mein gesamtes Denken auf den Luftdolch richte und seine Klinge mit meinem Geist wetze.
Sogar die Zeit entschleunigt sich, um meine Anstrengungen zu beobachten. Ich richte den Blick auf mein Ziel: das Genick meines Vaters. Er ist mittlerweile an mir vorbeigelaufen und kehrt mir den Rücken zu. Seine Schritte werden langsamer. Jede seiner Bewegungen scheint sich unendlich in die Länge zu ziehen und die Geräusche um mich herum werden tiefer, klingen verzerrt. Ich bin so konzentriert, dass ich kaum wahrnehme, wie mein Vater mit schwingenderRobe und ausgebreiteten Armen herumwirbelt, ein alarmierter Ausdruck in den Augen, der sich in Angst verwandelt.
Er kann mich nicht fühlen, aber er spürt meine Magie: spürt, wie die Elemente sich umgestalten und die Luft um ihn herum dünner wird, während ich damit mein Messer forme. Er ist der bedeutendste Erzmagier seiner Zeit, ein unübertroffener Großmeister. Aber deine ausgezeichneten Sinne werden dich nicht retten, Vater. Diesmal bin ich schneller. Ich ziele auf sein Herz und werfe den Dolch nach ihm.
32
E r fliegt pfeilschnell durch die Luft, eine funkelnde Klinge geschmiedet aus Hass. Benedict stößt einen entsetzten Schrei aus, doch sein flinker Geist rüstet bereits zur Gegenwehr. Stein ist zu schwerfällig. Wasser würde den Luftdolch nicht aufhalten. Also antwortet er mit einem Feuerball. Der Dolch beginnt zu glühen und verliert seine kalte Schärfe. Mein Vater wird von einem Lufthieb zu Boden geschleudert, der ihn jedoch nicht tötet, wie mir verzweifelt klar wird.
Ich habe erneut versagt.
»Meine Tochter ist hier! Findet sie!«, brüllt Benedict die Tribute und Magier an, die sich verwirrt um ihn versammeln. Zwei Magier helfen ihm auf, und die Tribute beginnen mit ihren Stöcken nach einem Feind zu stochern, den sie nicht sehen können. Mein Vater greift sich keuchend an die Brust und wehrt aufgebracht die helfenden Hände ab. »Tastet nach ihr!«, ruft er den Tributen zu. »Bildet eine Mauer aus euren Körpern, hakt die Arme ineinander und sucht den Korridor ab.« Er zeigt auf die Stelle, wo ich eben noch stand. »Findet sie. Lebend!«
Ich bin bereits losgelaufen.
»Riegelt das Ostende des Korridors ab!« Nur eine Vermutung von ihm, aber mein Vater hat richtig geraten. Im Schach habe ich Benedict noch nie geschlagen. Er war mir immer einen Zug voraus, ahnte noch vor mir, was ich als Nächstes tun würde.
Ich versuche, an meinen Häschern vorbeizukommen, sie zu überholen, obwohl ich bereits weiß, dass ich mein Leben verwirkt habe. Meine einzige Hoffnung ist, eine Zeitspalte zu finden, die breit und tief genug ist, um sich so lange darin zu verstecken, wie es dauert, bis man stirbt.
Zwei Magier fliegen über mich hinweg und postieren sich am Ende des Korridors. Hinter ihnen wächst eine Steinwand aus dem Boden bis zur Decke. Ich sitze in der Falle. Bitte, Zeit, allmächtige Göttin, Hüterin unserer Lebensuhr. Schenk mir einen Ort. Gewähre mir nur eine Minute, um die Flasche zu entkorken und das Gift zu trinken.
Ich hetze weiter, halte verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau – und dann sehe ich sie: die Tür zur Bibliothek meines Vaters. Ich stolpere und wäre beinahe gestürzt. Die Götter haben einen unberechenbaren
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